15/12/2025 0 Kommentare
Warten lernen
Warten lernen
# Wort zum Alltag

Warten lernen
Der Dezember ist eigentlich keine Zeit des Wartens. Es ist eine Zeit der Termine.
Da sind die Weihnachtsfeiern – beruflich, im Verein, im Freundeskreis. Alle Jahre wieder stehen sie im Kalender. Man freut sich darauf, und doch reiht sich oft ein Abend an den nächsten. Es ist schön – aber es ist auch voll.
Da ist die Feuerzangenbowle mit Freunden. Man trifft sich, lacht, erzählt sich Geschichten, Da heißt es dann: O du fröhliche Zeit. Und gleichzeitig schwingt mit: Wir müssen das noch schaffen, bevor alles vorbei ist.
Und da ist das nächste Weihnachtskonzert. Die Musik, die uns berührt. Die alten Melodien, die sofort vertraut sind. Vom Himmel hoch, könnte man sagen – für einen Moment hebt sich der Alltag. Und kaum ist der letzte Ton verklungen, geht es weiter.
All das gehört zum Dezember. All das ist gut. Und doch ist kaum Platz für eines: für das Warten.
Wir überbrücken jede freie Minute. Wir füllen jede Lücke. Leise rieselt der Schnee – aber laut dröhnt die Weihnachtszeit.
Der Advent erzählt eine andere Geschichte.
Die Bibel kennt das Warten nicht als Leerlauf, sondern als geistliche Haltung.
Der Psalm sagt: „Harre des Herrn, sei getrost und unverzagt und harre des Herrn.“
Das ist kein ungeduldiges Warten. Kein nervöses Schauen auf die Uhr. Sondern ein Vertrauen: Gott kommt – aber nicht auf Abruf.
Auch Gott wartet. Neun Monate, bis ein Kind geboren wird. Jahrhunderte der Hoffnung. Und dann – Stille Nacht. Kein großer Auftritt. Kein Gedränge. Nur ein Kind in einem Stall.
Vielleicht ist das die Zumutung des Advents: Dass Gott sich nicht in unsere Terminpläne einfügt. Dass er nicht zwischen Weihnachtsfeier und Konzert „abgehandelt“ wird. Sondern dort kommt, wo wir aufhören, alles festzuhalten.
Warten heißt dann nicht, nichts zu tun. Sondern: Raum zu lassen. Nicht alles sofort zu füllen. Nicht alles gleich zu verstehen.
Dieser Dom am Abend hilft uns dabei. Das Licht ist gedämpft. Die Schritte werden langsamer. Fast könnte man meinen: Es ist ein Ros entsprungen – unscheinbar, leise, ohne Eile.
Vielleicht ist genau das Advent: Dass wir Gott nicht vorwegnehmen, sondern ihm zutrauen, dass er kommt.
Nicht schneller. Nicht lauter. Aber verlässlich.
Und so dürfen wir heute warten. Mit unserer Vorfreude. Mit unserer Müdigkeit. Mit allem, was uns noch bevorsteht.
Denn Gott kommt. Nicht, weil wir fertig sind. Sondern weil wir warten.
Helge Böttcher, Domkirchenvorstand
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