Osternacht

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# Predigt

Osternacht

Dr. Christoph Meyns, Landesbischof

Ich lebe, und ihr sollt auch leben. (Joh 14,19)


Es hätte alles aus und vorbei sein müssen. Der Zimmermann Jesus von Nazareth war tot, hingerichtet am Kreuz nach nur kurzer Zeit seines Wirkens als Wanderprediger und Heiler. Er hatte den Anbruch eines neuen Zeitalters verkündet. Der Himmel ist kurz davor, auf der Erde auszubrechen. Und er ist schon jetzt so nahe, dass er an einigen Stellen durchscheint, so wie einzelne Sonnenstrahlen die Regenwolken durchbrechen. Gott gleicht weniger einem starken König oder einem strengen Richter als vielmehr einem liebevollen Vater. Ein liebevoller Vater wendet sich auch von seinen schwierigen Kinder nicht ab. Er bleibt ihnen zugewandt und ist für sie da, auch wenn sie auf Abwege geraten und sich von ihm distanzieren. Dieser tiefen Liebe Gottes gehört die Zukunft, und es ist klug, sich jetzt darauf einzustellen, sich abzukehren von der Finsternis und sich dem Licht zuzuwenden. Von diese Botschaft beseelt, wanderte Jesus durch Galiläa, predigte und setzte Zeichen. Dabei überschritt er immer wieder Grenzen, um sich Menschen zuzuwenden, die im Elend gefangen waren: Kranke und Aussätzige, Zöllner und Sünder, Ausländer und Prostituierte, ohne Rücksicht auf die Ordnungen, Gesetze, Tabus und Vorurteile seiner Zeit. Um ihn herum entstand eine Bewegung von Menschen, die an das glaubten, was er predigte und die ihm nachfolgten, im Zentrum ein Kreis von zwölf Männern. Jesus aber machte sich nicht nur Freunde. Sein Reden und Handeln erzeugten Ablehnung und Hass, besonders bei den Gesetzestreuen, den Gebildeten, den Wohlhabenden und den Mächtigen. Und als Jesus zum Passah-Fest nach Jerusalem kommt, greifen sie zu. Sie bestechen einen seiner Jünger. Der verrät seinen Aufenthaltsort. Sie verhaften Jesus. Seine Jünger fliehen. Jesus wird verhört, gefoltert und als Aufrührer am Kreuz hingerichtet. Sechs Stunden später ist er tot. Damit hätte alles aus und vorbei sein müssen. Aber das war es nicht. Nach seinem Tod erschien er Menschen, die ihm nahe standen und mit Paulus erschien er sogar einem, der ihn gar nicht gekannt hatte und der seine Jünger verfolgte. Sie erkannten Jesus wieder, aber er war auch ein anderer: eine himmlische, lichte Gestalt, durch den Tod hindurchgedrungen hinein in ein neues, ewiges Leben in Gottes Gegenwart. Und damit bekam sein Tod am Kreuz eine neue Bedeutung: kein Zeichen des Todes, sondern ein Zeichen des Sieges über die Macht des Todes. Und anders als bei den Helden der Antike deuteten sie das auch nicht als Belohnung, die Jesus allein zuteil wurde für ein gutes, gottgefälliges Leben. Sein Tod war für sie das Zeichen für eine universelle, stellvertretende Tat, in der Gott sich ein und allemal versöhnt hat mit dem Menschen. Nicht, weil er das verdient hätte. Das hat er nicht. Der Mensch ist ein schwieriges Wesen, zutiefst geängstigt im Wissen um die eigene Sterblichkeit, immer wieder motiviert von Neid und Hass, immer wieder nur um sich selbst kreisend, dumm und mit einem großen Talent für Zerstörung und Selbstzerstörung und einem kurzen Gedächtnis. „Ich lebe, und ihr sollt auch leben“, so sagt Jesus im Johannesevangelium (Joh 14,19). „Ich lebe, und ihr sollt auch leben“, versöhnt mit Gott trotz all dem, kraft des Kreuzes Jesu Christi. Das ist die Botschaft am Osterfest für jeden einzelnen von uns: Nichts kann dich von Gott trennen: keine Armut, keine Krankheit, keine Unvollkommenheit, kein Versagen, kein Leid, nicht einmal der Tod. Gott sagt unverbrüchlich ja zu dir, und deshalb kannst du ja sagen zu dir selbst und zu deinem Leben, samt allen Dunkelheiten, Brüchen und Narben. Diese Zusage gilt nicht nur dir. Sie gilt allen Menschen ohne Ansehen der Person, egal welcher Herkunft, welchen Geschlechts, welcher Hautfarbe, welcher Sprache, Kultur oder Religion. Das ist seit dem Ostermorgen die neue Grundsituation des Menschen vor Gott. Und sie strahlt aus in die Lebenssituationen zahlloser Menschen, auch in unser Leben hinein. Für mich heißt das: Ich bin nicht auf meine Vergangenheit festgenagelt, meine Herkunft, mein Elternhaus, meine Geschichte. Es kann sein, dass ich etwas falsch gemacht habe. Es kann sein, dass ich an mir oder anderen schuldig geworden bin. Es kann sein, dass ich gefangen bin in Lebenslügen oder mit schwierigen Problemen zu kämpfen habe. Aber ich darf mit allen vor Gott kommen. Ich darf ihm sagen, was mich bewegt, was mich freut, was mir angst macht, was mich belastet, was falsch gelaufen ist. Bei Gott führt kein Weg an der Wahrheit vorbei. Aber ich darf auch darauf hoffen, Vergebung zu erleben und neu anfangen zu können, mein Leben neu zu gestalten, und das nicht nur einmal, sondern immer wieder. Das gilt für mein eigenes Leben. Das gilt auch für das Zusammenleben in unserem Land und für das Zusammenleben der Völker und Nationen. Grenzen, die der angstvollen Selbstabschließung dienen und dabei das Leben anderen Menschen beschädigen, müssen überwunden werden. Davon inspiriert entstanden im Mittelalter die ersten Hospitäler. Hermann August Francke, Friedrich Bodelschwingh, Johann Hinrich Wichern und viele, viele andere halfen dabei, die sozialen Probleme ihrer Zeit zu lösen und überschritten dabei immer wieder Grenzen. Das tun in der Nachfolge Jesu einzelne Christinnen und Christen, Gemeinden, Propsteien, Landeskirchen, kirchliche Einrichtunge, Klöster, die Diakonie und die Aktion „Brot für die Welt“ bis heute in vielfacher Weise. Dabei behandeln sie alle Menschen mit dem gleichen Respekt, der gleichen Aufmerksamkeit und der gleichen Hilfsbereitschaft: mit Bürgerrecht und ohne, Einheimische oder Geflüchtete, Deutsche oder Ausländer, Christen, Muslime oder Konfessionslose, Arme und Reiche, freie Bürger oder Strafgefangene. Der Ostermorgen hat die Welt verändert – zum Besseren. Er strahlt aus auf unser Leben bis heute. Lasst uns festhalten an der Botschaft, die davon ausgeht. Und lasst uns erhellt von seinem Licht unser Leben gestalten in Gottvertrauen, Zuversicht und Nächstenliebe. Amen.


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