Konfirmation

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# Predigt

Konfirmation

Cornelia Götz, Dompredigerin


Zu diesem Sonntag gehört also eine Gefängnisgeschichte. Ja, mögen Sie denken, im Kirchenjahr haben wir ja auch Kantate und nicht Konfirmation. Da hätte ich auch was anderes nehmen können. Stimmt. Aber ich glaube, Gottes Worte finden uns eher als wir sie. Das Knaupeln an ihnen hilft zu hören, was wir uns nicht selber sagen können.  Heute geht es also um zwei Männer, Paulus und Silas, die sich zum Glauben an Jesus Christus in aller Öffentlichkeit bekannt haben, so wie Ihr das gleich tun werdet. Sie kriegen - milde formuliert - Probleme, sie werden gefoltert und ins Gefängnis gesperrt.  Das ist eine extrem harte Reaktion der Mächtigen. Sie lässt darauf schließen, dass die Angst haben. Angst vor einem Glauben an Gott, der von Menschenwürde und Gerechtigkeit spricht, der Partei ergreift für die Armen, die Sprachlosen, die Ausgegrenzten, der Anfänge ermöglicht und zur Veränderung ruft, der uns ruft und zur Freiheit befreit.  All das mögen die Mächtigen nicht.  Sie können nicht gebrauchen, dass die Menschen, die sie beherrschen wollen von wirklicher Freiheit träumen, dass sie sich angesehen, wert und würdig wissen, dass sie in einer Welt leben wollen, die anders ist als das, was sie jetzt erleben: menschlicher, gerechter, barmherziger. Mächtige macht das nervös. Sie versuchen deshalb die aus dem Verkehr zu ziehen, zu behindern und einzuschüchtern, die sich zu dem ohnmächtigen menschlichen Gott am Kreuz bekennen. Eine alte und immer wieder aktuelle Geschichte. Paulus und Silas trifft das auch.  Sie kommen in den innersten Teil des Gefängnisses - also in den Hochsicherheitstrakt - mit Fußfesseln und Dauerbewachung.  Damit sind wir – zu denen Gott mit dieser heute spricht - in einer ähnlichen Situation wie gestern Abend beim Rüstgottesdienst. Da hatte ich euch gesagt, dass das Abendmahl, das Brotwort zuerst Menschen galt, die hungern - und zwar nicht zuerst nach Gerechtigkeit und Liebe, sondern vor allem nach Nahrung. Wir dürfen vom Brot des Lebens auch zehren - aber eben nicht ohne den nackten Hunger der Welt zu vergessen.  So ist es mit der Gefängnissituation auch: wir dürfen und sollen das, was sie eröffnet auch in unser Leben mitnehmen - aber nicht ohne die Gefangenen in den Folterkellern unserer Zeit zu vergessen.  Und damit erlaube ich uns die Übertragung:  Auch wir sind ja manchmal gefangen und gefesselt von Vorurteilen, Angst oder Einsamkeit, von Krankheit. Wir kennen das, wenn uns Erwartungen erdrücken oder uns unser eingeschränktes Sichtfeld behindert. Ihr liebe Komfirmandin, liebe Konfirmanden habt während der Corona-Pandemie erfahren was es bedeutet, sich nicht frei bewegen zu können, nicht treffen zu können, wen man treffen will, einsam zu sein oder sich auf engem Raum bedrängt zu fühlen - und: nicht singen zu dürfen! Das konnten sogar Paulus und Silas! Und wie sie singen! Und was sie singen! Es sind keine Klagelieder, kein großes Kyrie, es sind Loblieder! Man stelle sich das vor: Da sitzen die beiden mitten in der Nacht im Gefängnis und singen: Großer Gott, wir loben dich, Herr wir preisen deine Stärke, ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt, damit ich lebe! Meine Zeit steht in deinen Händen. Wohl dem, der ein paar Lieder kennt!  Die zwei singen und zwar um Mitternacht. Das ist kein Zufall. Die Nacht ist schon immer die intensivste Zeit der Gottesbegegnung: Gott zeigt Abraham den Sternenhimmel als Bild seiner Verheißung. Dem Jakob erscheint Gott mit einer Himmelsleiter im Traum. Den Eli ruft er in der Nacht bis der begreift, wer ihn ruft. Die Jünger sitzen am Abend in Gethsemane beieinander als es dunkel wird.  Zu Osten gehen die Frauen noch in der Nacht los zum Grab. Und Jona, der im nachtähnlichen dunklen Fischbauch sitzt, singt die ganze Zeit.  Auch Paulus und Silas singen. Atmen muss man ja sowieso. Aber damit man nicht vor lauter Angst hyperventiliert, damit einem nicht das Schluchzen den Hals verstopft, damit man nicht wort- und tonlos verkümmert oder vor Wut platzt, ist Singen ideal.  Es macht frei. Den Kopf, den Hals, das Herz. Und andere hören es und wissen: Ich bin nicht allein.  In unserer Geschichte stimmen die, die Paulus und Silas singen hören, nicht mit ein.  Vielleicht kennen sie die Lieder nicht. Vielleicht kennen sie den Gott, von dem die beiden singen, nicht.  Vielleicht sitzen sie dem Irrtum auf, selbst nicht singen zu können.  Aber sie sind Ohr. Erreichbar. Der Gesang füllt den Raum. Er wird groß und stark. Und da wackelt die Erde, vielleicht sogar vom Singen, vom Gotteslob? Das ganze Gefängnis wackelt, die Türen springen aus den Angeln und die Fesseln gehen auf.  Herrlich! Freiheitslieder haben eine große Tradition! Und auch das Erdbeben ist ein symbolträchtiges Phänomen. Am Ostermorgen hatte es eins gegeben. Es war nötig, denn den riesigen schweren Stein hätten die beiden Frauen nicht wegrollen können. Sie wären in ihrer Trauer gefangen geblieben. Sie hätten nicht sehen und verstehen können, was längst passiert ist: das Grab ist leer. Tod und Gewalt, die Willkür der Mächtigen - all das hat ein Ende. Jesus lebt. Das Leben siegt und die Hoffnung auch.  Mariann Edge Budde, die Bischöfin aus Washington - manche von Euch haben sie auf dem Kirchentag erlebt - hat an dieses Erdbeben erinnert und es ein „Lifequake“ genannt.  Ein Lebensbeben. Es passiert in einer scheinbar aussichtslosen Situation.  Menschen werden frei. Türen sind offen. Fesseln lose. Nur der, der den Gesang nicht gehört hat, den das Lebensbeben erst noch erreichen muss, der versteht nicht, was passiert: er sieht, dass das Herrschaftssystem, dem er gedient hat, zusammengebrochen ist. Er sieht, dass die, die er eingesperrt und gequält hat, frei sind.  Und will sich vor lauter Angst vor dem, was nun mit ihm passiert, das Leben nehmen. Aber Paulus hält ihn auf.  „Keine Angst!“ Ruft er. "Wir sind noch da“! Sie sind nicht abgehauen obwohl man das verstehen könnte. Diese zwei wissen: Die Freiheit der einen muss nicht auf Kosten der anderen gehen. In keine Richtung.  Freiheit heißt nicht, dass ich mich verpisse und nach mir die Sintflut - jetzt ist erstmal mein eigenes Leben und Wohlsein dran.  Das bedeutet nicht, hinter Mauern und Stacheldraht bleiben und leben zu müssen - das wäre zynisch. Es bedeutet, dass Mauern, Stacheldraht und riesige Steine, die Leben versperren, nichts in einer Welt zu suchen haben, in der die Menschlichkeit wohnt. Der Kerkermeister versteht das zum Glück doch noch.  Er fällt den beiden zu Füßen, nimmt sie mit, macht gut, was er gut machen kann und dann lässt er sich und die Seinen taufen. Auch sein Leben wird gut, als das Unrecht vorbei ist. Auch sein Leben wird heil, als er ihre Wunden pflegt und sie in sein Haus einlädt. Diese Menschen werden einander zum Segen.  Wenn das mal kein guter Konfirmationstext ist:  Bekenntnis und Glaubensmut, Gottvertrauen voll Gesang, das Lebensbeben, das in die Freiheit führt und allen gilt, die Freude und das große Fest – weil einer – oder acht „Ja“ sagen.  Ja, das ist eine Gefängnisgeschichte. Sie erzählt davon, wie Gott zur Freiheit befreit und mit dem Kerkermeister einen neuen Anfang macht, ihn beim Namen ruft, wie Gott auf der Seite der Gefangenen und Entrechteten ist – und vor allem dass er da ist und hört Immer. Amen.


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