Hoffnung trotz Hiob?

Hoffnung trotz Hiob?

Hoffnung trotz Hiob?

# Predigt

Hoffnung trotz Hiob?

Mai, Pfingsten und strahlender Sonnenschein ist leichter als November, Volkstrauertag und grauer Nieselregen. Doch es hilft nichts. Diese Tage und diese Stimmung und die Konfrontation mit den vorletzten Dingen, sie kommen alle Jahre wieder, weil sie zu unserem Leben dazugehören, so, wie alles andere auch.
Und wir bekommen es heute auch wirklich beinahe in Endlosschleife um die Ohren gehauen. Elke Lindemann singt uns aus dem 50. Psalm: „Unser Gott kommt und schweiget nicht. Fressendes Feuer geht vor ihm her und um ihn her ein gewaltiges Wetter.“ Und Matthäus traktiert uns mit einer fast quälenden Detailverliebtheit mit der Beschreibung, wie es denn sein wird, wenn wir vor dem Richterstuhl Christi stehen und er die Spreu vom Weizen trennen wird oder die Böcke von den Schafen, wie die Bibel es beschreibt.
Und dann nun auch noch Hiob als Predigttext, der es mit seiner Hiobsbotschaft auch in kirchenfernste Kreise geschafft hat. Ja, Hiob trifft es knüppeldick. Dabei fängt sein Leben wirklich großartig an: Er hat eine tolle Familie mit zehn Kinder, ist reich und großzügig und führt ein in jeder Hinsicht gottesfürchtiges Leben. Einer, von dem man sagt: „Der hat es wirklich verdient, dass es ihm gutgeht!“, so einer ist Hiob. Bis er dann im wahrsten Sinne des Wortes zum Spielball wird, in einer schrägen Wette, die Gott mit Satan eingeht. 
Satan sagt zu Gott: Diesen frommen Hiob werde ich dazu bringen, sich von dir abzuwenden. Gott erwidert: Das kannst Du vergessen. Du kannst mit ihm machen, was Du willst, nur das Leben darfst du ihm nicht nehmen. Und ich sage dir: Hiob bleibt mir treu. Und dann nimmt das Unheil seinen Lauf: Hiob verliert alles: Alle seine zehn Kinder sterben, sein Reichtum geht dahin und er selbst erkrankt schwer und vegetiert am Ende arm und schwach vor sich hin.
In dieser Situation nun klagt und bittet er in diesem Monolog, den wir vorhin als erste Lesung gehört haben. „Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und welkt, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht.“ In all seinem Elend und mit Blick auf den Trümmerhaufen seines Lebens werden Hiob die eigene Endlichkeit und Vergänglichkeit besonders deutlich. Wir würden es vielleicht Torschlusspanik nennen, was Hiob da fühlt. 
Ich gehe auf die 60 zu. Wenn ich mal davon ausgehe, dass 80 Jahre mit Gottes Hilfe ein auch für mich realistisch erreichbares Alter ist, habe ich dreiviertel meiner Lebenszeit hinter mir. Und wenn ich mir nun vor Augen führe, was ich in meinem Leben alles noch nicht gemacht, erlebt und erfahren habe, wird mir sehr schnell klar, dass ich das in den mir vielleicht verbleibenden zwanzig Jahren definitiv nicht unterbringe. 
Ich will Sie nicht unter Stress setzen, aber ich ahne, dass die meisten von Ihnen zu einem ähnlichen Ergebnis kämen. Und jetzt haben wir im Grunde zwei Möglichkeiten: Entweder wir stürzen jetzt aus sofort alle aus dem Dom, geben so richtig Gas und versuchen, so viel aus unserer Lebenszeit herauszupressen, wie nur irgend möglich, auch wenn wir dabei riskieren, eigentlich nichts so wirklich und in aller Ruhe zu erleben. Dann geht eben mal Quantität vor Qualität – hurra, ich war mal in Neuseeland, wenn auch nur für einen Tag. 
Die andere Option ist, die Unmöglichkeit, alles in ein Menschenleben hinein zu packen, einfach mal ganz entspannt hinzunehmen. Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf das wir klug werden, heißt es im 90. Psalm. Diese Bitte um Einsicht und Besonnenheit geht in genau diese Richtung. 
Hiob will weder das eine noch das andere. Er hat resigniert und beschreibt noch einmal die Endgültigkeit des Todes: „Stirbt aber ein Mann, so ist er dahin, sagt er. Er wird nicht aufwachen, solange der Himmel bleibt.“ 
Und aus dieser düsteren Perspektive heraus, richtet er an Gott eine bemerkenswerte Bitte: „Du tust deine Augen auf, dass du mich vor dir ins Gericht ziehst“, sagt Hiob. Doch wenn die Anzahl meiner Tage schon bestimmt ist und du mir ein Lebensziel gesetzt hat, das ich nicht überschreiten kann, dann blicke doch wenigstens weg von mir, damit ich Ruhe habe, bis mein Tag kommt.“ 
Gönn mir bitte eine Auszeit, Gott, und höre doch auf, all das haarklein zu beobachten, was du mir später einmal vorhalten kannst. Hiob will in seinem Elend einfach mal seine Ruhe haben. Er bittet nicht darum, dass wieder alles so wird wie früher. Er will sein Leben führen dürfen, arm und bescheiden wie ein Tagelöhner – aber bitte ohne Gott. 
Mich beeindruckten diese Bescheidenheit und diese Demut. Hiob klagt Gott nicht an, fragt nicht danach, warum ausgerechnet er so viel Elend ertragen muss. 
Wir sind mit derartigen Fragen immer sehr schnell dabei – insbesondere dann, wenn es mal nicht so läuft, wie wir es gerne hätten. Dass wir dann auch gerne Gott die Verantwortung für Dinge zuschieben, die tatsächlich aber wir verzapft haben, will ich gar nicht so sehr betonen. Aber warum fragen wir eigentlich nicht auch mal, wie Gott es denn zulassen kann, dass es uns so unverschämt gutgeht? 
Hiob hat nun wirklich keinen Grund, so etwas zu fragen. Er will von seinem Gott am liebsten gar nichts mehr hören und sehen. Gott ist ihm eine Last geworden, die er loswerden will. Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen, heißt es im 18. Psalm. Da ist die Rede von einem Gott, der mir Kraft und Schwung und Mut gibt, Hindernisse in meinem Leben zu überwinden, welcher Art sie auch immer sein mögen. Gott ist dabei an meiner Seite. Springen muss ich zwar alleine, doch Gott ist dabei und hilft und stärkt und begleitet. Das ist das absolute Gegenteil von dem, was Hiob fühlt. 
Und damit nimmt er eine ungewöhnliche Haltung ein. Menschen kriegen es sehr gut hin, Gott zu ignorieren. Sie fühlen sich dann säkularisiert, aufgeklärt und auf jeden Fall so aufgestellt, dass sie ihr Leben bestens allein organisiert und gemeistert kriegen. Sie lassen Gott links liegen, oder sie nehmen für sich in Anspruch, zu wissen, dass es ihn nicht gibt. 
Wir als Christenmenschen sind da deutlich anders unterwegs. Wir glauben an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde. So haben wir es gerade gemeinsam bekannt. Hiob würde uns voll und ganz zustimmen. Doch er kann keine Kraft oder Liebe oder Besonnenheit aus Gottes Gegenwart ziehen. Er fühlt sich überwacht und kontrolliert und bestraft.
Hiob fühlt Gott so nah an sich, dass es ihm wehtut. Er kann nicht anders, als all sein Leiden ganz unmittelbar mit Gott in Verbindung zu bringen. Er will Gott nicht loswerden, aber er will eine Pause – nur solange, bis sich Gottes Zorn gelegt hat, vielleicht auch, um zu verhindern, dass es noch schlimmer kommt. Was für ein Elend. Was für eine Verzweiflung. Was für ein Leid. 
Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, schreibt Paulus. Doch er schreibt auch: Lasst euch versöhnen mit Gott! Denn in Christus bietet Gott an, uns zu vergeben. Wir müssen dieses Angebot einfach nur annehmen. Dabei geht es nicht darum, zielgerichtet und permanent eine fromme Höchstleistung an die nächste zu reihen. Erinnern wir uns an die Evangelienlesung: Diejenigen, die Christus zu Erben des Reiches Gottes macht, können sich gar nicht daran erinnern, dass Sie Gutes getan haben. Und dennoch ererben sie das Reich, das für sie bereitet ist, von Anbeginn der Welt, wie es Matthäus schreibt. 
Es geschieht aus Gnade! Und was für eine Gnade ist es, dass wir an Christus glauben dürfen, an Christus, in dem uns Gott auf Augenhöhe begegnet – als Bruder, als Begleiter, als Freund. Was für eine Gnade, dass er uns unsere Schuld nicht vorhält, sondern sie ein für alle Mal von uns und am Karfreitag mit in den Tod genommen hat, wo sie, wie jede Schuld, erloschen ist. Was für eine Gnade, dass wir dafür nichts weiter zu tun brauchen, als uns ihm anzuvertrauen – in Liebe, in Demut und in tiefem Vertrauen. 
Ja, Mai, Pfingsten und strahlender Sonnenschein sind leichter als November, Volkstrauertag und grauer Nieselregen. Aber eben tatsächlich nur, wenn man es von außen betrachtet. Denn Christus ist auch an den dunkelsten Novembertagen das Licht der Welt. Und wenn wir ihm nachfolgen, werden wir nicht im Finstern wandeln, sondern das Licht des Lebens haben. So soll es sein. Amen.


Heiko Frubrich, Prädikant

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