Harold Fry lebt ein ruhiges Rentnerleben im Süden Englands. Dann erhält er eines Tages einen Brief von seiner alten Freundin Queenie, die im Sterben liegt. Harold schreibt eine kurze Antwort und macht sich auf den Weg zum Briefkasten. Dort geschieht etwas Unerwartetes: Statt den Brief einzuwerfen und nach Hause zurückzukehren, geht Harold einfach weiter. Sein Ziel: das über 800 Kilometer weit entfernte Hospiz, in dem Queenie die letzte Zeit ihres Lebens verbringt. So beginnt der Film „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“. Zu Fuß geht es nun quer durch ganz England, immer getragen von der Hoffnung, dass die alte Freundin so lange am Leben bleibt, wie Harold unterwegs zu ihr ist. Als älterer Mann fällt ihm das Gehen nicht leicht, aber er kämpft sich durch. Und er wird, so viel sei verraten, sein Ziel erreichen.
Besonders anrührend an dieser Pilgergeschichte ist, dass Harold seine spontane Entscheidung, einfach loszugehen, anfangs nicht recht erklären kann, nicht einmal sich selbst. Aber im Laufe des Films wird immer deutlicher: Harold geht nicht nur zur alten Freundin, sondern auch zu sich selbst zurück. Er gelangt an die wunden Punkte seiner Lebensgeschichte. Und er beginnt Schritt für Schritt daran zu glauben, dass kleine Gesten Veränderung bewirken können: ein Gang, ein Brief, ein Gespräch, eine liebevolle Geste.
„Bereitet dem Herrn den Weg!“ So sagt es das Bibelwort aus dem Buch des Propheten Jesaja zum dritten Advent, der vor uns liegt. Es ist Halbzeit auf dem Weg nach Weihnachten. Gott ist auf dem Weg in die Welt, erinnert der Prophet Jesaja. Und diese Ankunft braucht Vorbereitung, inneren Aufbruch und äußere Bewegung.
Wo Gott ankommt, erinnert der Prophet Jesaja, da wird diese Welt heller und heiler. Da kommt Erstarrtes in neue Bewegung, verschlossene Augen öffnen sich und es zeigt sich, was in Herzen verborgen ist. Gott den Weg zu bereiten, das heißt, wach zu bleiben und sich in Bewegung versetzen zu lassen: „Bereitet dem Herrn den Weg!“
„Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ erzählt die Geschichte einer solchen Bewegung: von einem gewöhnlichen Mann, der in einer spontanen Handlung eine tiefe, innere Wandlung durchlebt, von einem Glauben, der auf Hoffnung und Liebe und auf der Kraft des Gehens beruht.
Ja, manchmal ist der Weg wirklich das Ziel!

Pfarrer Henning Böger