Eröffnung Friedensdekade

Eröffnung Friedensdekade

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# Predigt

Eröffnung Friedensdekade

Neunter November, ein Tag, an dem Revolutionen gescheitert und geglückt sind, ein Tag, an dem Menschen sich weinend in den Armen lagen - die einen zutiefst erschüttert, verletzt und gedemütigt. Die anderen glückstaumelig. Ein Tag, der die Demokratie und eine friedliche Revolution in Deutschland feiert und bitter nach Hass, Gewalt und Zerstörung klingt. Ohne den einen neunten November wäre ich heute nicht hier. Wegen des anderen werde ich mich kurz fassen, um um elf an der Synagoge zu sein. Und dann ist da noch die Eröffnung der Friedensdekade, des zehntägigen ökumenischen Gebets für den Frieden. Der 9. November 1989 ist auch dadurch möglich geworden: das stete Gebet für den Frieden, das die wenigen nicht aufgegeben haben und den vielen schließlich Kommen und Gehen mit Kerzen und in Frieden ermöglichte. Und auch heute ist die Friedensdekade etwas, das genau wir tun können: Intensiv für den Frieden beten. Das Plakat der diesjährigen Kampagne ist ein Blickfang - aber die Taube, die da mit Krach, Getöse und Konfetti irgendwohin gejagt wird, erschließt sich mir nur schwer. Denn Frieden kommt meist eher leise…

Zu diesem Sonntag jedenfalls gehört eine leise Geschichte. Wir finden sie im ersten Buch der Könige - Sie haben sie eben gehört: Das Kapitel beginnt, indem König Ahab seiner Frau Isebel von einem verlorenen Kampf berichtet. Seine 450 Propheten waren in einer Machtprobe für ihren Gott Baal und dem Propheten Elia und seinem Gott, dem Gott Israels, ums Leben gekommen. Es hatte ein fürchterliches Blutbad gegeben. Isebel tobt und kündigt Rache an: die Gewaltspirale dreht sich weiter. Elia muss fliehen. Es ist für ihn schlimme erschütternde Erfahrung: Er hat gedacht, im Recht zu sein. Er hat geglaubt, für seinen Gott kämpfen zu sollen.Er hat in seinem Eifer gedacht, diese Toten in Kauf nehmen zu müssen. Aber es ist kein Sieg. Elia erlebt, dass er - der Gerechte - selbst Teil des Teufelskreises der Gewalt geworden ist, dass sich der Weg des gerechten Krieges wie ein schrecklicher Irrweg anfühlt, dass er für 450 verlorene Leben verantwortlich ist. So flieht er vor den Drohungen der Feinde.Und vor sich selbst. Er will damit nichts mehr zu tun haben. Er, der große Prophet, der berühmte Gottesmann, ist ein verzweifeltes Häufchen Elend geworden, das sagt: „Es ist genug Gott. Nimm mein Leben. Ich bin nicht besser als meine Väter.“ Die Bibel verschweigt es nicht: Auch die, die für Gott streiten, können schrecklich scheitern. Sogar Elia ist in seinem Furor und seiner Selbstgewissheit schuldig an anderen geworden. Darum glaubt er, dass es nun keinen Ort mehr für ihn in dieser Welt gibt. Er geht in die Wüste, legt sich unter einen Ginsterbusch und hofft wenigstens in Frieden sterben zu können. Er schläft ein, er kann (!) einschlafen. Sein Frieden kommt leise. Gott schickt einen Engel mit Brot und Wasser. Nur das. Er stellt ihn nicht zur Rede. Er schickt ihn nicht wieder in den Konflikt.Er pflegt ihn. Er tut ihm etwas Gutes. Das was er jetzt braucht und sich nicht selber geben kann. Es ist eine leise Szene ohne großes Tamtam. Eine wie sie überall und dauernd auf der Welt passiert. Menschen bringen sich nicht nur gegenseitig um, missbrauchen, verhöhnen, übervorteilen einander - sie stellen für andere auch Essen auf den Tisch, setzen sich ans Bett, halten Hände, pflegen Wunden und Beulen, geben ihre Schulter her, damit man sich ausweinen kann, falten füreinander die Hände. Frieden. Auch Elia erlebt das. Er isst und trinkt und schläft. Er erlebt - auch in der unwirtlichsten aller Welten - Schutz und Geborgenheit, Fürsorge. Es passiert wieder und wieder. Bis ihn der Engel eines Tages anrührt, ermutigt und sagt: „Steh auf. Du hast noch einen weiten Weg vor Dir.“Es sind wenige Worte und die ganze Wahrheit. Er muss noch viele, viele Schritte tun. Es sind immer lange Wege. Noch ist nicht zu sehen, wo sie hinführen werden.Elia wird vierzig Tage und Nächte laufen. 1989 haben wir diese vierzig wohl gehört. Die DDR war gerade so alt geworden.Elia braucht diese symbolische Zeit, um zu Gott zu finden und zu einem seiner Berge, dem Horeb, zu gehen. Dort verhält er sich wie Menschen, die Schrecken erlebt haben, die sich schuldig fühlen, die sich schämen, die Angst haben, die nicht weiterwissen: er steigt nicht hinauf, sondern versteckt sich in einer Höhle. Und Gott fragt: „Was machst Du hier?“Ja, was macht er hier? Er hadert noch immer mit dem, was geschehen ist. Er kann das was war, nicht einfach loswerden. Was machst Du hier?Fragt Gott auch uns, die wir nicht wissen, was wir denken sollen, nicht glauben, dass wir etwas tun können und daran verzweifeln, wo es hingeht.Was machst Du hier?„Ich bin allein.“ Sagt Elia…Und Gott antwortet nicht mit tausend Beispielen, sondern mit seiner Nähe: er kommt zu diesem einen und der erlebt noch einmal alles, was Wucht und Kraft hat: Sturm, Erdbeben, Feuer - alles, was die Welt aus den Angeln heben und Feinde verjagen kann. Alles, was ihn aus der Bahn geworfen hat und so schrecklich falsch war.„Aber in all dem ist Gott nicht.“Er kommt als ein stilles sanftes Sausen, als - so übersetzte Martin Buber - „verschwebendes Schweigen.“ Elia erkennt es sofort. In dieser leisen Bewegung spürt er Gottes Nähe und die Möglichkeit von Frieden. Er verhüllt sein Angesicht, denn das was er jetzt spürt ist mehr und anders als alle Gewalt.Er erfährt, was Dietrich Bonhoeffer viel später oder doch im selben Moment in Worte fassen konnte: 
„Ich glaube, dass Gott aus allen, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dazu braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.
Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft gibt, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben kann alle Angst vor der Zukunft überwunden werden.
Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden als mit unseren guten Taten.
Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Schicksal ist, sondern, dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.“

Cornelia Götz, Dompredigerin

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