2. Advent - Erlösung erst am Sankt-Nimmerleins-Tag?

2. Advent - Erlösung erst am Sankt-Nimmerleins-Tag?

2. Advent - Erlösung erst am Sankt-Nimmerleins-Tag?

# Predigt

2. Advent - Erlösung erst am Sankt-Nimmerleins-Tag?

Gestern gab es den ersten Quempas hier bei uns im Dom. Ich finde, er ist der Inbegriff von adventlich festlicher Stimmung und an der einen oder anderen Stelle sind ein paar kleine Tränchen der Rührung mindestens erlaubt, wenn nicht sogar gewollt. Es macht Freude, im Kerzenschein miteinander zu singen und es macht ebenso Freude, ebenjene Freude auf den Gesichtern der Menschen zu sehen, die so um einen herumsind. Eine Stunde abtauchen aus dem Trubel der Welt und eintauchen in vorweihnachtliches Wohlgefühl.
„Und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, und die Menschen werden vergehen vor Furcht.“ Jesu Worte aus dem Lukasevangelium – so beginnt unser heutiger Predigttext, ein Stimmungskiller erster Kajüte, möchte ich sagen. Doch irgendwie mögen wir Protestanten das ja so. Letzte Woche haben wir gute Freunde besucht – katholische Rheinländer. Und da wurde ich gefragt: Warum seid ihr Evangelischen eigentlich immer so verbiestert, wenn es um euren Glauben geht? Eine gute Antwort hatte ich irgendwie nicht parat.
Doch zurück zum Predigttext. Der hat zu allem Überfluss noch nicht einmal etwas mit dem Advent zu tun. Denn es geht hier nicht um das Kommen des Menschensohns als Kind in der Krippe im Stall von Bethlehem. Es geht hier um Jesu Wiederkunft am Ende der Zeit.
Streng genommen katapultiert uns dieser Text thematisch wieder zurück an das Ende des Kirchenjahres, wo es um unsere eigene Endlichkeit, unser Sterben und das ewige Leben ging. Doch nun sind wir ja im Advent. Was haben sich die Mitglieder der Perikopenkommission also dabei gedacht, diese Verse als Predigttext auszuwählen
Kirchenjahreszeitlich gehören sie in die Passionszeit zu den sogenannten Abschiedsreden Jesu. Es sind Worte, die zwischen dem Palmsonntag und dem Gründonnerstag gesprochen wurden, also kurz vor Jesu Tod. Insofern ist auch der Wochenspruch strenggenommen irreführend. Er stammt aus dieser Rede, doch da heißt es eben: „Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, also diese besonderen Zeichen an Sonne, Mond und Sternen, dann, aber eben erst dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“
Erlösung gibt es für uns hiernach also erst am Sankt-Nimmerleins-Tag. Das ist doch mal eine schöne Perspektive, um weihnachtliche Gefühle zu entwickeln, oder? Aber vielleicht ist es ja gar nicht so gruselig, wie es beim ersten Hören klingen mag. Das, was Jesus hier beschreibt, sind in der Tat die Vorgänge am jüngsten Tag. Dann kommt er wieder, zu richten die Lebenden und die Toten, so wie wir es an jedem Sonntag in unserem Credo bekennen.
Und ja, mit ihm und durch ihn naht dann auch unsere Erlösung – aber doch zum erneuten Male, denn zum Glück oder besser: Gott sei Dank, hat diese Erlösung ja bereits stattgefunden. Denn dazu ist Christus in diese Welt gekommen und zwar nicht am jüngsten Tag, sondern zu Weihnachten. Jesus hat unsere Erlösung im Gepäck. Das ist der Grund für seine Menschwerdung, für Gottes neuen Bund mit uns Menschen, der in Christus Gestalt annimmt, greifbar, sichtbar und erlebbar wird.
Dennoch können Jesu Worte trotz allen positiven Inhalts auch desillusionieren. Denn die Rahmenbedingungen unter denen wir erlöst werden, sind nicht gerade attraktiv. Zeichen an Sonne, Mond und Sternen, verzagte Menschen, die vor Angst vergehen werden, weil die Kräfte des Himmels und der Erde ins Wanken geraten.
Würde mich jemand fragen, wie ich mir Erlösung vorstelle, käme ich auf andere Bilder: Ich wäre da eher beim hellen und warmen Licht, das wir im Dunkeln sehen, so wie wir gestern im Quempas über Jeremia gesungen haben. Ich wäre bei friedlichen und fröhlichen Menschen, die erleichtert und voller Vorfreude ihrem Heiland entgegensehen. Ich wäre bei Barmherzigkeit, Gnade und vor allem bei ganz viel Liebe. Stattdessen wird uns ein Drohszenario aufgemalt, was für mich ebenso viele Fragen wie Wünsche offenlässt, wo es hingegen an Befürchtungen und Angstauslösern nicht mangelt. Schönen zweiten Advent wünsche ich Ihnen!
Doch mit etwas weniger Emotionalität ist Jesu Botschaft doch folgende: Zum einen klärt er, was Erlösung nicht bedeutet. Erlösung bedeutet nicht, Befreiung von allem, was unser Leben schwermacht. Dass es Leid auf dieser Welt gibt, und das nicht zu knapp, dass auch unsere Lebenswege mitunter über holprigstes Kopfsteinpflaster führen, steht nicht im Widerspruch zu unserer Erlösung. Mal völlig losgelöst davon, bin ich ja dauerhaft ein großer Freund, die Verantwortlichkeiten für vieles Elend auf dieser Welt klar zu benennen. Krieg, Unterdrückung, Willkür und Egoismus sind keine gottgegebenen Unabänderlichkeiten. Sie sind menschengemacht und von Menschen zu verantworten.
Doch wie dem auch sei: Selbst bei bestem menschlichen Wohlverhalten gäbe es Krankheiten, Unfälle, Leid, Schmerz und Tod. Von diesen Umständen also sind wir definitiv nicht erlöst.
Sehr wohl erlöst sind wir allerdings von den Folgen unserer irdischen Begrenztheit. Ja, wir müssen alle von dieser Welt und in 100 Jahren kräht wahrscheinlich nach kaum jemandem von uns noch irgendein Hahn. Aber der Tod hat nicht das letzte Wort. Wir sind erlöst von seiner Endgültigkeit und seiner Allmacht.
Eng mit unserer Begrenztheit verbunden, ist der Umstand, dass wir so manches sein mögen, keinesfalls aber unfehlbar. Wir scheitern regelmäßig, bleiben unseren Mitmenschen und auch Gott so manches schuldig und laden damit im Wortsinne Schuld auf uns. Davon sind wir erlöst, denn Christus hat all das mit ans Kreuz und in seinen Tod genommen, wo jegliche Schuld erloschen ist.
Das sind die beiden unbeschreiblichen Gnadengeschenke vom Karfreitag und dem Ostermorgen. Das ist es, was unsere Erlösung ausmacht. Und die kommt nicht erst am jüngsten Tag. Die ist längst da, längst wirksam geworden im und durch das Kind in der Krippe im Stall von Bethlehem.
Erlösung ist nichts Globales. Erlösung ist nicht der ozeangroße Topf, gefüllt mit süßlich klebriger Soße aus Harmonie und unzähligen rosaroten Brillen, mit denen alles Schwere auf dieser Welt zugekleistert wird. Erlösung ist ganz individuell. Christus wendet sich uns zu – Ihnen und Euch und mir und er sagt: „Ich lebe, und du sollst auch leben. Deine Sünden sind die vergeben.“ Erlösung ist etwas, was sich zwischen mir und Jesus ereignet –persönlich, direkt und beinahe intim.
Und so gilt seine Aufforderung natürlich auch schon heute: „Seht auf und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung ist ja schon da!“ Wir dürfen als Christinnen und Christen erhobenen Hauptes und mit geradem Rücken durchs Leben gehen und dürfen mit unserem Auf-Sehen gern auch Aufsehen erregen: dadurch, dass wir mit unverbrüchlicher Sturheit die Hoffnung nicht aufgeben; dadurch, dass wir erkennbar liebevoll mit unseren Mitmenschen und uns selbst umgehen; dadurch, dass wir unser Leben in der Gewissheit leben, dass das Beste ja noch kommt!
„Himmel und Erde werden vergehen“, erinnert uns Christus. Ja, so wird es sein. „Aber meine Worte werden nicht vergehen“, fügt er an und das ist es doch, was zählt. Jesu Worte, Jesu Verheißungen und seine unbedingte Liebe zu uns, sie überdauern jede Mode, jeden Mainstream, jede Endlichkeit. Sie sind die Konstante, auf die wir unser Leben und unser Vertrauen aufbauen können, weil sie tragen, ganz egal, was auch immer passieren mag.
Und all das findet seinen Anfang in der Krippe im Stall von Bethlehem, in diesem kleinen, verletzlichen Kind, dessen Geburtstag wir in gut zwei Wochen feiern. Seht auf und erhebt eure Häupter! Denn Christ, der Retter ist da!
Amen.


Prädikant Heiko Frubrich

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