
05/10/2025 0 Kommentare
Epiphanias
Epiphanias
# Predigt

Epiphanias
Cornelia Götz, Dompredigerin
Jahreslosung 2025
Eines der Highlights für 2025 in unserer Region wird hoffentlich der Kirchentag Anfang Mai in Hannover. Zu den Liedern, die ich mit dem Kirchentag verbinde, gehört eins unmittelbar zur Jahreslosung (Text und Musik kommen von Lothar Veit): „Prüft, prüft, prüft genau - und wählt das Gute, nehmt Euch in acht vor den Schrecken dieser Zeit - prüft, prüft, prüft genau und wählt das Gute, sucht mit Geduld nach der Spur der Freundlichkeit.“ Es könnte ganz einfach sein mit dieser freundlichen Spur, denn irgendwie kommen wir immer von Weihnachten her oder laufen auf Weihnachten zu - immer leuchtet der Stern von Bethlehem und zeigt uns eine Spur der Menschenfreundlichkeit Gottes und unserer Möglichkeit, einander zugewandt zu bleiben – denn anders als zugewandt kann man schließlich nicht an der Krippe knien. Wir schaffen es trotzdem, wenn es heller wird, die Sonne blendet, die Tage lang und voller Energie sind, leichtherzig, übermütig oder gleichgültig falsch abzubiegen und denen nachzulaufen, die uns leichtes Geld und billige Gnade versprechen, Verantwortung abnehmen oder einfache Lösungen anbieten. Darum brauchen wir Gegengeschichten, Vorbilder und Geleit, Prüfsteine und hin und wieder auch einen Engel, der im Weg steht und uns nicht durchlässt, sondern sagt: „Prüft genau, prüft alles und wählt das Gute, nehmt euch in acht vor den Schrecken dieser Zeit:“ Wem das gesagt wird, der lebt in der Vielfalt, der hat etwas zu wählen - der sieht verschiedene Lebensentwürfe, Narrative und Argumente. Wir haben die Freiheit uns zu entscheiden und sollten nicht gleich bei der ersten Prüfung schlampig sein: es gibt nicht nur die Wege des geringsten Übels, des geringsten Widerstandes. Es ist nicht alternativlos. Die gründliche Prüfung ergibt: Das Gute ist möglich. Immer und zu allen Zeiten. Und ehe Sie sich jetzt schütteln und vor lauter Imperativen und Moral innerlich in Deckung gehen, lasst uns auf zwei Frauen schauen, biblische Figuren, die unbekannt und im „who is who der Bibel“ und Calvers großem Bibellexikon vergessen und übersehen - an ihrem Ort, in ihrem Leben genau das tun: Prüfen, sich in achtnehmen, das Gute wählen. Sie heißen Schifra und Pua. Mit ihnen beginnt der Exodus, der Auszug der Kinder Gottes in die Freiheit. Das zweite Buch Mose erzählt davon: Jakob war mit den Familien seiner Söhne dorthin geflohen - um Hunger und Not zu entkommen, um zu überleben. So wurden sie Einwanderer, Fremde, Arme, Abhängige - willkommen nur als Arbeitskräfte. Die Bibel erzählt, dass sie dennoch Familien gründeten und Kinder bekamen, mehr wurden - bis „das ganze Land voll von ihnen war“. Hätten sie dazugehören können? Vielleicht. Das Gute ist möglich. Aber es wird nicht gewählt. Denn die Existenz der Fremden macht Angst und löst statt Fantasie und Tatkraft, Hass und Gewalt aus. Das ist das uralte und zugleich aktuelle Bild einer unversöhnten Gesellschaft - und steht nicht nur für gescheiterte Integration und Migration, sondern auch für ungelöste soziale Konflikte, Missachtung von Menschenrechten und Menschenwürde. Der König prüft die Situation. Aber er tut es nicht genau. Ihn interessiert nicht, was warum geschieht. Es heißt: „Er wusste nichts von Josef und seinem Volk“. Das macht es einfacher, am Guten vorbeizusehen. Er will es ja seine Leute anweisen, die Anderen, die Fremden, die Unliebsamen niederzuhalten, sie auszuzehren durch schwere Arbeit. Auch da passiert das… Es geht nicht um den Lebensunterhalt oder einen Beitrag für eine gemeinsame Zukunft - es geht um Macht und Gewalt und sind nur ganz wenige Verse bis der König seine Seele verliert Auch er ist ein Machthaber, der das Undenkbare erst denkt und dann tut. Dieser König sagt zu den „hebräischen Hebammen, von denen eine Schifra und die andere Pua heißt“ - man könnte ihre Namen also durchaus im Bibellexikon erwähnen - „wenn ihr den hebräischen Frauen bei der Geburt helft, dann seht auf das Geschlecht und wenn es ein Sohn ist, dann tötet ihn; ist es aber eine Tochter, so lasst sie leben.“ Prüft und entscheidet über Leben und Tod. Diese beiden haben es in der Hand. Es sind nur zwei Frauen - so unbedeutend, dass man sie leben lassen kann. Es sind zwei Frauen, die eine Berufung haben, ein Ethos. Es sind zwei Frauen, wie jede und jeder von uns auch: an einen konkreten Ort gestellt. Sie könnten sich missbrauchen lassen. Sie könnten einfach nur gehorchen und Verantwortung abschieben, Sie könnten vergessen, dass es auch auf sie ankommt. Aber all das tun sie nicht. Sie prüfen und entscheiden sich. Die Bibel erzählt: „Aber die Hebammen fürchteten Gott und taten nicht, wie der König von Ägypten gesagt hatte, sondern ließen die Kinder leben.“ Man möchte - erst recht am Beginn eines neues Jahres - hoffen und hören, dass diese widerständige tapfere Haltung Eindruck macht, die Mächtigen berührt und in ihrem Blutrausch stoppt. Aber so ist es nicht. Die Bibel erzählt keine Märchen und wir erleben allermeist auch keine. Die beiden Hebammen werden zur Rechenschaft gezogen und verteidigen sich klug: Die Mütter sind stark und brauchen keine Hilfe. Daher kommen sie gar nicht zum Zuge. Schifra und Pua haben Glück, man lässt sie laufen (oder Pech, weil niemand ihre Unbeugsamkeit ernstnimmt). Aber Gott sieht sie und - so heißt es: er „Tut ihnen Gutes.“ Der König hingegen rast. Das Unheil ist nicht abgewendet. Dann sollen eben alle Jungs in den Nil geworfen und ertränkt werden. Ist also alles sinnlos? Lohnt es gar nicht, zu hoffen und diese Welt besser machen zu wollen? „Prüft genau!“ Gebt nicht zu schnell auf. Seht genau hin - das Wunder passiert immer wieder. Menschen wählen das Gute und retten unsere Menschlichkeit. Damals hat eine es nicht übers Herz gebracht, den kleinen Mose ertrinken zu lassen und in ein Körbchen gelegt, eine andere findet ihn, lässt ihn nicht weitertreiben, sondern nimmt sich seiner an. Das Gute ist möglich. Immer. Dort und hier, damals und heute finden sich mutige Menschen… - die „genau prüfen“, sich und die Situation, die „das Gute wählen“, weil sie es können, weil es in ihrer kleinen Macht liegt. Sie sorgen dafür, dass die Geschichte der Menschlichkeit nicht zu Ende ist, sondern uns erreicht und weitergeht, damit in allem, was passiert - und auch dem, was wir nicht abwenden können - die Spur der Freundlichkeit sichtbar bleibt.
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