17/11/2025 0 Kommentare
Einfach nur wecken?
Einfach nur wecken?
# Wort zum Alltag

Einfach nur wecken?
Seit 66 Jahren steht das Denkmal nun vor dem UN-Hauptquartier in New York. Es ist ein Geschenk der Sowjetunion an die UNO. Sie kennen es alle, denn es ist seit Jahrzehnten das Symbol der ökumenischen Friedensdekade und der Friedensbewegung schlechthin: Der muskulöse Mann, der mit einem schweren Hammer ein Schwert zu einem Pflug umschmiedet. Hier vorne auf der Kerze, die während der Friedensdekade auf unserem Marienaltar brennt, ist es zu sehen
Die Metapher, aus Schwertern Pflugscharen zu schmieden, ist mittlerweile über 2.700 Jahre alt. Sie stammt aus dem alttestamentlichen Buch des Propheten Micha. Dort heißt es: „Die Völker werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.“
Schwerter also. Sie haben in unserer Zeit außer als geschichtliches Anschauungsobjekt oder beim Ritterschlag im englischen Königshaus kaum noch Bedeutung. Sie wurden abgelöst durch Drohnen, Raketen, Ultraschallwaffen und alles mögliche mehr.
Doch Schwerter gibt es auch weit ab von militärischer Kriegsführung. Schwerter gibt es in unseren Köpfen. Sie werden spürbar, wenn wir auf Menschen treffen, die wir missachten, deren Verhalten wir missbilligen, die vielleicht auch uns feind sind. Wir nehmen bei solchen Kontakten oftmals unterbewusst eine Abwehr- oder sogar Kampfeshaltung ein, reagieren möglicherweise aggressiv oder zumindest abweisend. Auch diese inneren Schwerter stehen einem friedlichen Miteinander entgegen – auf den vielen tausend kleinen Bühnen zwischenmenschlicher Beziehungen.
„Die Völker werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen“, ist die göttliche Botschaft des Propheten Micha. Ich habe einige Zeit gebraucht, bis mir die wahre Dimension dieses Satzes deutlich geworden ist. Der russische Künstler Jewgeni Wutschetisch verdeutlicht sie. Es ist nicht Gott, der vom Himmel aus dazwischenhaut und endlich für Frieden sorgt auf dieser Welt. Es sind die Völker, die Menschen, wir also!
Gott traut uns zu, dass wir das selbst hinzubekommen und er nimmt uns damit allerdings auch in die Verantwortung, es tatsächlich zu tun. „Komm den Frieden wecken“ lautet das Motto der diesjährigen Friedensdekade. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das reicht. Ich denke, dass wir da mehr Arbeit und Kraft und Liebe hineingeben müssen.
Der Friede ist leider kein schlafender Riese, der, einmal geweckt, alles andere alleine macht. Ich würde ihn eher als eine zarte und verletzliche Pflanze sehen, die sehr viel Pflege und Zuwendung braucht, bis sie dann hoffentlich irgendwann einmal groß und kräftig genug ist, um allein weiterzuwachsen – hoffentlich irgendwann – mit Gottes Hilfe und in Jesu Namen. Amen.
Prädikant Heiko Frubrich
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