25/12/2025 0 Kommentare
Christvesper
Christvesper
# Predigt

Christvesper
Weihnachten erzählt eine Not- und Fluchtgeschichte. Das ist offensichtlich und wir tun gut daran, unseren Blick dafür zu schärfen, unsere Herzen zu öffnen für die, die heute Abend nicht an einen Ort gehen können, der behaglich und sicher ist und erst recht: Verantwortung wahrzunehmen. Gerade im Moment läuft ja die Uhr für afghanische Flüchtlinge in Pakistan, bei denen wir im Wort stehen.
Es gibt gute Gründe, dass die Bibel Ort und Umstände genau so erzählt, damit wir nicht vergessen, dass all das auch mit uns zu tun hat, dass es uns angeht - egal wie weit entfernt es sich abspielt. Aber wir sollten dabei nicht meinen, dass es für uns keinen Ort in der Weihnachtsgeschichte gäbe - nur weil es uns zu gut geht. Denn dass es uns gut geht, macht uns nicht gut und ist schon gar kein Zeichen dafür, dass die Welt gut eingerichtet wäre. Es tut fraglos Not, dass Gott auch mitten unter uns Wohnung nimmt.
Oder mit Blick auf unseren Ort in der Weihnachtsgeschichte: Vielleicht sind ja auch wir alle - auf weniger lebensgefährliche aber doch existenzielle Weise - auf der Flucht, im Exil, im falschen Leben unterwegs. Vielleicht ist Weihnachten auch für uns der Moment, alle Jahre wieder - wenigstens kurz - nach Hause zu kommen, dorthin wo Gott wohnt und es leichter ist, gut zu sein. Denn ist es nicht so, dass wir jahraus jahrein unter Umständen leben, sie ausnutzen und befördern, die wir eigentlich nicht gut finden und von denen wir wissen, dass es anders werden muss? Ist es nicht so, dass wir Lebenskraft und Energie allzuoft Zielen und Träumen widmen, die die Welt nicht besser machen, sondern nur unser eigenes Leben komfortabler, sonniger, selbstwirksamer? Und vor allem: Ist es nicht so, dass wir über all dem geistlich immer ärmer werden, einsamer, undankbarer, unzufriedener? Weihnachten kommt mithin keineswegs zu oft und jedes Jahr zu schnell. Ganz im Gegenteil: es tut gut und ist dringend nötig, dass wir heute alle endlich nach Hause kommen - in die bessere Welt.
Ist sie das? Die bessere Welt? Der Stall? Die Krippe? Oder sind das nur unwirkliche Platzhalter? Ja, vielleicht sind diese Orte unwirklich, jedenfalls für uns. Andere werden sich präzise wiederfinden oder erinnern. Aber alle können hören und sehen, was diese Orte meinen. Sie sind Platzhalter für das „inmitten“. Mitten unter uns, jetzt unter diesen Umständen - in der Krippe, im Stall, hier auf dem harten Klappstuhl - ist Frieden möglich, wird alles gut. Denn so fühlt es sich doch an, wenn man nach langen und manchmal verzweifelnden Wegen nach Hause kommt oder einen Ort findet, der endlich ein Zuhause sein kann. Niedersinken, auf die Knie, oder einen Stuhl, in die Arme einer anderen.
Menschen haben sich immer schon davon erzählt. Das Märchen vom „Hans im Glück“ erzählt genau das. Wissen Sie noch wie es geht? Meistens erinnern wir einen gutmütigen Trottel, der den Goldklumpen, den Lohn für sieben Jahre Arbeit, vertauscht, sich abwundern lässt, von denen die cleverer sind, skrupelloser, überzeugender. Am Ende hat er nichts mehr… Aber schaut hin: am Ende kommt er nach Hause! Glücklich, endlich. Ganz er selbst. Wie der verlorene Sohn.
Oder ET. Die liebenswerteste Erfindung von Steven Spielberg. Der will nur eins. Nach Hause. Aber vorher: Telefonieren. Fern-sprechen. Sich an-rufen lassen. Und was hören wir - Angerufenen - aus der Ferne?
Das Singen der Engel: Fürchte Dich nicht!!! Und die Propheten, die von Hoffnung erzählen, Zukunft in ihren Verheißungen ausmalen. Und immer klingt das, was sich ihnen da erhellt irgendwie nach Weihnachten. Wir haben vorhin davon gehört.
Die Worte aus der Ferne, das Licht des Sterns von Bethlehem, ziehen uns her, hinein in das Bild an der Krippe. Und alle sind da: Männer, Frauen, Kinder, Mutter und Vater, Hirtinnen und Hirten, Arbeiter, Wissenschaftlerinnen, Wirte, Könige, Boten, Engel, Tiere, Unbehauste und Reisende, die immer schon hier leben und die gerade ankommen. Alle finden sich vor und erleben, dass die Nacht hell wird, dass ein Kind geboren wird, dass sich andächtig staunende Stille ausbreitet. Alle sind angekommen.
Wir auch. Niemand musste dafür umkehren. Niemand musste irgendeinen Hebel umlegen. Niemand musste sich ändern, bessern, disziplinieren. Wir sind da, weil irgendjemand uns nicht nur Essen und Trinken, Kleidung und Sprache mitgegeben hat, sondern auch Gott. Irgendeine hat mit uns zur Nacht gebetet oder zu Tisch, hat einen Stern ins Fenster gehängt, hat uns mitgenommen - das allererste Mal - am heiligen Abend als die Glocken läuteten und die, die vor uns waren alle Jahre wieder für einen Moment nach Hause gingen, einkehrten in der besseren Welt.
Stille Nacht. Heilige Nacht.Damals und immer noch haben nicht mit dem Kopf aber mit dem Herzen verstanden: Weihnachten ist das Land, in dem es leichter ist, gut zu sein. Weihnachten ist das Land, in dem es leichter ist, Frieden zu schließen.Weihnachten ist das Land, in dem wir uns erinnern an das Kind, das wir waren und seine Sehnsucht, seine Hoffnung, seinen Glauben nicht belächeln sondern teilen.Weihnachten ist das Land, über dem es klingt, dass Menschen Wohlgefallen finden. Es klingt von fern. Und doch ganz nah? Spricht da wer? Mit mir? Komm nach Hause!
Das muss heute irgendwann passiert sein. Jetzt sind wir da. Stille, Gesang, Gebet, Stern und Kerzen. Gott ist da. Auch er zu Hause. Ein Mensch unter Menschen.
Schaut euch um! Das ist Weihnachten: der Mensch neben Dir, erwartungsvoll, von Herzen bereit freundlich und zugewandt zu sein, ein bisschen sorgenvoll, ob es gelingt - weil wir verletzlich sind, unvollkommen, zart. Aber die beste Version unserer selbst. Und auch wenn wir wieder losgehen, fortgehen von hier - wie die Hirten und die Könige, wie Maria und Josef, und zurückmüssen in unsere befremdlich falsche unwirtlich wirkliche Welt - was wir jetzt hier erleben - ist wirklich, gewiss und wahr. Wir tragen es im Herzen. Es leuchtet aus uns. Amen.
Dompredigerin Cornelia Götz
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