22/12/2025 0 Kommentare
4. Advent
4. Advent
# Predigt

4. Advent
Der Predigttext heute reagiert auf Enttäuschung.
Paulus hat die Menschen in Korinth enttäuscht, vertröstet. Er ist nicht gekommen wie er versprochen hat, ist nicht verlässlich gewesen. Immer wieder. Jetzt ist die Beziehung gefährdet. Und mit ihr auch der Glaube. Wieder ist nur relativ, was groß und sicher klang. Die Stimmen des Zweifels werden lauter. Die Hoffnung - gerade erst aufgekeimt - wird wieder brüchig.
Wer kennt das nicht. Im Weihnachtsoratorium haben wir das letzte Woche eindrücklich gehört. Erst in einer zarten Sopranarie: „Oder sollt ich mich - doch? - freuen?“, „Ja!“ Kommt es von Ferne! „ja doch, ja“! Später hadern Sopran und Bass, Mann und Frau, du und ich: „Ach, wann wird die Zeit erscheinen, ach, wann kommt der Trost der Seinen“ - Wahrscheinlich nie, sagt der Zweifel. „Schweig!“ singt der Glaube - auf eine Weise, die man gehört haben muss, wenn die großartige Susanne Krumbiegel singt.
Solches „Schweig“ traut sich Paulus nicht. Umso dringender bittet er, den Blick von ihm weg auf das zu richten, was gewiss und wahr ist, wichtiger als er. Denn im Gegensatz Paulus ist „auf Gott ist Verlass. … In ihm wurde das Ja Wirklichkeit. Wie viele Verheißungen es auch gibt. In Gott sind sie bejaht. Darum sagen wir durch ihn das Amen: Es werde wahr - auf das Gott aufstrahle.“
So! wird Weihnachten.
Wo der Stern leuchtet, wo das Licht aus dem Himmel bricht, wo „Ja und Amen“ kein Dahingerede sind, sondern wie Franz Rosenzweig, ein jüdischer Gelehrter, der zu Beginn des letzten Jahrhunderts tief in die Sprache der Bibel eintauchte, schrieb: „Ja ist das Urwort der Sprache Gottes.“ Seine Verheißungen sind eingehüllt in das Amen, „es wird wahr“.
Der Heidelberger Katechismus lehrt: „Amen, das ist, dass mein Gebet von meinem Gott viel gewisser erhört worden ist als ich mit meinem Herzen fühlen kann“.
Denn, Hannah Arendt: „Versprechen sind DAS Heilmittel gegen die Ungewissheit.“
„Fürchte dich nicht!“ Hören wir.
Ja. Ich glaube Dir.
Ja. Es sei wie Du sagst.
Und da sind wir, fast leichtfüßig, bei Maria angekommen: Es ist die Geschichte einer, die heiratsfähig aber unverheiratet ist. Ganz jung war sie. Vielleicht zwölf oder dreizehn. In unseren Augen noch ein Kind. Dieses Kind trug DEN Modenamen ihrer Zeit. Während des Krieges gegen die Römer, den vielen widerständigen Versuchen, die harte Besatzung abzuschütteln, hieß - so hat man herausgefunden - jedes zweite Mädchen „Maria“, hebräisch „Miriam“ - nach der Schwester des Mose, der sein Volk mit Gottes Hilfe und auf den Wegen seiner Verheißung in die Freiheit führte.
Maria. Zeichen für Identität, für Protest, für Verbundenheit.
Maria. Zeichen der Hoffnung.
Und des Gesangs. Auch Miriam hatte ein Lied. Wie Hannah, Samuels Mutter, die um ein Kind singt. Wie Judith, die gegen Feinde ansang.
Maria. Der Name ist Programm - ob das die Eltern der Maria Kalesnikowa geahnt haben?
Diesem Mädchen begegnet ein Engel. Ein Bote Gottes im Alltag der Welt. Das ist keine Traumgeschichte. Maria ist hellwach - in jeder Hinsicht. Und sie erlebt nicht nur die Ankündigung einer Schwangerschaft, sondern eine Berufung. Letztere hat in der Geschichte Gottes mit seinen Menschen ein wiederkehrendes Schema:
- Gott spricht durch Boten oder ruft selbst.
- Die Angesprochenen erschrecken sich, fühlen sich zu jung oder ungeeignet, überfordert.
- Der Einwand wird entkräftet. Dann folgt ein Ja. Das Ja. Urwort des Glaubens.
So verläuft auch die sogenannte Verkündigungsszene:
- Der Engel Gabriel kommt zu Maria und sagt: „Fürchte dich nicht, Du bist mit Gnade beschenkt! Du wirst einen Sohn gebären und er wird Kind des Höchsten genannt werden und König sein … in alle Ewigkeiten!“ Immer wieder ruft Gott Menschen in seinen Dienst, eröffnet ihnen, was sein wird. Jetzt ist es Maria.
- Maria weist das von sich. Sie sagt nicht wie Mose, dass sie nicht gut genug sprechen kann (also nicht begabt genug wäre) oder wie Jeremia, dass sie lieber nichts Besonderes sein will. Sie sagt schlicht, das ginge nicht, könne gar nicht gehen, weil sie mit keinem Mann zusammen war.
- Der Engel entkräftet ihren Einwand: „Geistkraft wird über dich kommen. Die Kraft des Höchsten wird dich in Schatten hüllen.“ Und Maria antwortet: „Es soll geschehen, wie Du mir gesagt hast.“
Maria sagt „ja.“ Ja. Ich werde das können.
Maria, das junge Mädchen ist in Dogmen, in unerschütterliche Lehrsätze, eingeschnürt worden: sie sei schon von ihrer Mutter Anna ohne Erbsünde empfangen, sie sei Jungfrau gewesen und geblieben, immerwährend. Sie, die Himmelskönigin, sei nicht gestorben, sondern aufgefahren in dem Himmel.
So werden Frauenbilder und Frömmigkeit geprägt. So entsteht die Madonna, lieblich, rein, ohne Schmerz. Aber die Bibel erzählt etwas anderes. Sie berichtet von einem Gespräch zwischen Gott und Mensch. Sein Bote sucht und findet Worte. Maria fragt. Und er antwortet.
Dialog und Gespräch, Frage und Antwort sind das Gegenteil eines Dogmas, das vorschreibt, was man denken und glauben soll. Hier wird die Geschichte einer Entscheidung erzählt, die Gott, der ruft, auch von uns erhofft.
Ja, sagt Maria. Sie wird nicht schwanger gegen ihren Willen. Sie wird nicht in Gottes Plan gepresst. Der Engel wirbt um ihre Zustimmung. Sie fragt. Sie denkt. Sie sagt: „Ja“. Urwort des Glaubens.
Ja. Das ist unsere Möglichkeit gegen allen Zweifel. Uns allen längst ins Herz gepflanzt. Maria vertraut dem Versprechen, sich nicht fürchten zu müssen - das wird der Grundton bleiben: „Fürchte dich nicht! Fürchtet euch nicht!“
Ja. Das wird sie in ihrem Herzen bewahren, denn irgendwo wird erzählt, dass Gottes Geistkraft sie wieder verlässt.
Doch erst stellt Maria sich in die Geschichte derer die vor ihr waren, verbindet sich mit denen, die jetzt singen: Die Wüste wird blühen. Brot und Rosen gehören zusammen. So geht sie zu Elisabeth, hört Hannah Generationen zuvor singen:
„Gott, wirst Du das Elend deiner Magd sehen und ihrer gedenken und sie nicht vergessen?“ und sie antwortet ihrer Schwester durch die Zeit mit dem Urwort des Glaubens.
Ja! Singt sie.
Ja! Er hat die Niedrigkeit seiner Magd gesehen!
Ja! „Er ist schon wirklich da!“
Maria singt von Barmherzigkeit in unbarmherziger Zeit. Maria singt von Gerechtigkeit in Zeiten des Unrechts. Maria singt und erhebt ihre Stimme und freut sich ihres Gottes. Gegen allen Zweifel und alle Enttäuschung singt Maria, bis wir Generationen später antworten:
Ja. Gott wird aufstrahlen.
Ja. Wir fürchten uns nicht.
Ja, wir gehen eilend zur Krippe.
Ja, es sei wie Du, Gott, sagst.
Ja. Und Amen.
Dompredigerin Cornelia Götz
Kommentare