Die Selliner Himmelsleiter
Die Selliner Himmelsleiter
Cornelia Götz, Dompredigerin - 07.07.2025
Ferien. Endlich.
Und Zeit „Geh aus mein Herz und suche Freud“ zu singen - obwohl das Lied ja wahrscheinlich ganz irrtümlich ein Sommerschlager ist - weil eben von den Gärten Zier die Rede ist, von Bienen und Weizen und frischen Bächen.
Aber genau besehen, ist es eher einer Trostlied.
Ein Trotzkaftlied. Ein Sehnsuchtslied.
Eines, das menschliches Leben als endlich begreift und versteht, was der sächsische Landesbischof Tonias Bilz am Samstag bei der Verabschiedung unserem jetzigen Altbischof mitgeben hat: möge er das, was kommt als erquicklich erleben.
Denn Erquickung ist Trost und Erfrischung zugleich.
Die brauchen wir - nicht nur an heißen Tagen, sondern überhaupt. Und also geht das nach all der herrlichen Naturbeschreibung über zu unserer Rastlosigkeit, der Arbeit, die trotz Ferien kein Ende nimmt und dem guten Rand, sich an die herrliche Natur einfach dranzuhängen und mitzusingen wenn alles singt, mitzulachen und zu leuchten, wenn es die Natur auch tut.
Gedankensprung:
Mir fällt die Selliner Himmelsleiter ein.
Auf Rügen, im Ostseebad Sellin, einem Feriensehnsuchtsort, an dem hinter den Kulissen natürlich knochenhart gearbeitet wird, damit andere sich erholen und genießen können, gibt es eine wunderschöne alte Seebrücke. Sie ist mit dem Ort durch eine spektuläre Treppe verbunden ist, weil Sellin an einem Hochufer liegt. 86 Holzstufen hat die „Himmelsleiter“.
Und es gibt ein herrliches Foto aus den Anfängen des letzten Jahrhunderts, auf dem sich Menschen zum Foto platziert haben: sie sitzen vor allem unten rechts und links - als wollten sie den Blicken Anschwung nach oben gönnen. Nur ein paar Verwegene stehen auf der Treppe.
Es sind keine mondänen Strandschönheiten - sondern ganz normale Menschen und Gesichter; eben Fotos aus einer Zeit, die keiner Filter zur Bearbeitung der Bilder kannte und Menschen nicht dünner, jünger und glatter aussehen ließ.
Sie schauen in die Kamera und ich sehe sie an und denke mir: ihr wart also auch da? Habt ihr gearbeitet in Sellin oder in der Umgebung. Seid zur Sommerfrische hergekommen oder zusammengelaufen, damit dieses Bild möglich wird. Habt ihr die vielen Stufen gezählt?
Ich mag an dem Foto, dass man oben die Häuser der Wilhelmstraße und des Hochufers erkennt. Diese Himmelsleiter ist nicht mit Engeln bestückt und führt nicht ins Paradies, sondern ins wahre schöne anstrengende Leben - und es ist als wollte man realistisch, zuversichtlich, demütig, fröhlich singen:
„Doch gleichwohl will ich, weil ich noch / hier trage meines Leibes Joch, / auch nicht gar stille schweigen; / mein Herze soll sich fort und fort / an diesem und an allem Ort/ zu deinem Lobe neigen.“
Download als PDF-Datei Ich bin das Brot des Lebens
Ich bin das Brot des Lebens
Marc Bühner, Pfarrhelfer am Braunschweiger Dom - 27.06.2025
Waren Sie schon einmal in einer griechisch-orthodoxe Kirche, in einem griechisch-orthodoxen Gottesdienst? Es ist schon ein Erlebnis und mit unserem Gottesdienst nicht groß zu vergleichen. Diese Gottesdienste haben eine ganz eigene und besondere Atmosphäre. Als erstes fällt einem auf, es gibt in vielen Kirchen keine Bänke, die Menschen stehen die ganze Zeit. Und so ein Gottesdienst kann man eben bis zu 4 Stunden oder auch mehr gehen. Da ist es verständlich, dass die Menschen nicht die ganze Zeit im Gottesdienst bleiben – es ist ein ständiges rein und raus. Und die Liturgie, kaum gesprochenes Wort - ein kleiner Männerchor z.B. singt die Liturgie im Wechsel mit dem Diakon und nach der Predigt segnet der dienstältesten Priester das Brot. Manchmal erlebt man, dass ein Kreuz aus dem Brot geschnitten wird, um es für die Kommunion zu weihen. Und dann gegen Ende kann man manchmal etwas sehr Schönes erleben. Das restliche Brot wird feierlich dem Küster übergeben, der es zur Kirchentür unter andächtigem Gesang der Gemeinde trägt. Dort wird es auf einen Tisch gelegt, um es in kleine Stücke zu schneiden und in kleine Tütchen zu verpacken. Beim Auszug erhält jeder Gottesdienstbesucher eines dieser Tütchen mit, um es einem daheimgebliebenen, vielleicht kranken Menschen zu geben. Man nimmt das heilige Brot mit, als Zeichen des Lebens wird für die Kranken, Daheimgebliebenen, um sie so zeichenhaft teilnehmen zu lassen am Gottesdienst. Doch nicht nur für diese Gruppe von Menschen, ganz besonders gilt das heilige Brot dem Xenos, dem Fremden, dem Gast, egal wer er ist, was er denkt oder glaubt. Er soll sehen und schmecken: "Hier bist Du willkommen!"
Zeichen des Lebens - manches Mal habe ich mir schon gewünscht, wir hätten diese schöne Geste des gesegneten Brotes auch in unseren Gemeinden beibehalten.
"Ich bin das Brot des Lebens", sagt Jesus. Bei ihm findet sich die Antwort auf die Frage nach Grund und Ziel des Lebens. Hunger und Durst nach Leben werden gestillt - wo Jesus Menschen wiedergibt, was ihnen zum Menschsein fehlt.
Das kann das Stück Brot sein für den alltäglichen Nahrungsbedarf. Das kann das Wort sein, das er zu dem Kranken spricht: "Steh auf, nimm dein Bett und gehe hin!" Das kann das freisprechende Wort sein, das er zu der Frau spricht: "Geh hin und sündige nicht mehr." Das kann das Trostwort sein, das er zu dem Verbrecher am Kreuz spricht: "Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein."
Hunger und Durst nach Leben werden gestillt, wo Jesus im Namen Gottes unserem Leben einen unendlichen Wert und eine unzerstörbare Würde zusagt.
"Ich bin das Brot des Lebens", sagt Jesus und ruft uns in seine Nachfolge. Er ruft uns damit heraus aus dem Kreis des um sich, um sein Heil selbst sorgenden Menschen, ruft dazu auf, Leben zu wagen um seinetwillen.
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Bruce allmächtig
Marc Bühner, Pfarrhelfer am Braunschweiger Dom - 26.06.2025
Neulich Abend lief im Fernsehen mal wieder der Film „Bruce allmächtig“ mit Jim Carrey. Ja, er ist schon einige Jahre alt, aber immer wieder witzig. Witzig, aber auch irgendwie tiefgründig. Sicherlich, es ist ein typisch amerikanischer Film und es wird auch so einiges sehr überzogen. Einige sagen auch: „Wie können die nur! Morgan Freeman als Gott? Wie kann man Gott darstellen? Man soll sich doch kein Bildnis machen!“ Gott als Mensch in einem weißen Anzug. Sieht so Gott aus? Nein, sicherlich nicht. Aber darum geht es auch nicht.
Es geht da um etwas ganz anderes: Ein Mensch, der mit seinem Leben nicht zufrieden ist und die Schuld auf Gott schiebt. Es ist ja auch so einfach. Einfach die Schuld auf andere schieben und auf Gott die Schuld zuschieben ist noch leichter. Schließlich wehrt der sich nicht und hat keine Widerworte. Wie oft schieben wir Schuld auf Gott?
Bruce hat nun in dem Film das Glück Gott zu treffen und sagt zu Gott, dass er es besser machen könnte. Und so soll es kommen: Gott stattet Bruce mit der göttlichen Allmacht aus. Nun kann Bruce beweisen, ob er es wirklich besser machen kann als Gott. Doch was macht Bruce mit der Allmacht? Er nutzt die Kraft nur für sich und um sein Leben zu ändern. Alle anderen Menschen übersieht er. Solange, bis die Gebete, die er hört, immer lauter werden und er allen ihre Wünsche erfüllt, nur um wieder Ruhe zu haben. Doch damit macht er alles nur noch schlimmer. Am Ende ist sogar seine Beziehung hin und er muss sich eingestehen: Nein, ich kann es nicht besser machen als Gott.
So sucht er Gott und bittet ihn ihm zu helfen. Und was macht Gott? Er wischt mit Bruce erst einmal den Boden einer großen Halle. Als sie fertig sind, sagt Gott: „Weißt du was das Schönste ist? Ganz egal wie dreckig etwas wird, man kann es immer wieder sauber machen!“
Was für eine einfache und dennoch klare und vor allem passende Aussage.
Ja, Gott kann alles wieder sauber machen, anders gesagt: Er kann uns von unseren Sünden befreien. Was für eine Aussage doch in diesem Film steckt! Ob die Macher dieses Films es bewusst so gemacht haben? Hatten Sie einen Hintergedanken bei diesem Film? Und wenn ja, bei wie vielen Zuschauern ist die Botschaft dann angekommen? Haben es die Leute verstanden? Oder war alles doch nur, um möglichst viele einfach nur zu unterhalten?
Wenn es so ist, dann soll wenigstens uns heute dieser Film zwei Dinge sagen:
Zum einen: Gott kann uns unsere Sünden vergeben! Und die zweite Botschaft: Gott sagt zu Bruce im Film noch: „Du willst ein Wunder? Dann sei selber das Wunder!“
Warten wir also nicht darauf, dass wir ein Wunder sehen, sondern seien wir selbst das Wunder!
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Josef und seine Brüder
Marc Bühner, Pfarrhelfer am Braunschweiger Dom - 25.06.2025
Sie kennen doch sicherlich die biblische Geschichte von "Josef und seinen Brüdern". Sie ist eine geniale Weltliteratur. Eine doppelt spannende Geschichte. Die Handlung ist spannend und auch die Psychologie: Wie gehen Menschen miteinander um?
Da ist der Neid auf den anderen. Aus Neid erwächst Hass. Aus dem Hass entsteht die böse Tat, das Verbrechen.
Wahrscheinlich wollten die Brüder am Anfang dieses furchtbare Verbrechen nicht begehen, doch dann war der Hass stärker. lm Zweiten Weltkrieg sind kultivierte Menschen zu Bestien geworden. Familienväter haben im Krieg vergewaltigt und gemordet. Der Hass hatte aus Menschen wilde Tiere gemacht! Und auch heute noch wiederholen sich diese furchtbaren Geschehnisse: Menschen lassen ihren Hass überkochen und werden zu wilden Bestien. Wir brauchen nur den Fernseher einschalten und hören in den Nachrichten die Geschehnisse in aller Welt.
Aus Neid und Hass haben die eigenen Brüder Josef in die Sklaverei verkauft. Josef erlebt und erleidet schlimme Abenteuer. Doch dank der Hilfe Gottes macht er Karriere; Josef wird Vizekönig von Ägypten. Durch eine Hungersnot in ihrer Heimat müssen die Brüder ausgerechnet bei ihm Nahrungsmittel kaufen. Josef könnte sich nun rächen, doch stattdessen läßt er die ganze Sippe mit dem Vater nach Ägypten kommen. Warum nimmt der Josef keine Rache? Warum zahlt er es den Brüdern nicht heim? Ach ja, da ist noch der alte Vater Jakob. Solange Jakob noch lebt, wird Josef seinen Brüdern nichts antun!
Doch jetzt ist der Vater tot; jetzt gibt es nichts mehr, was Josef von seiner Rache abhalten kann. Rache ist süß! ln Ägypten gibt es viele Bergwerke, wo die Brüder nun als Arbeitssklaven schuften könnten. Oder sollte Josef gleich den Henker rufen lassen? Nichts kann Josef mehr zurückhalten! So denken die Brüder. So denken doch die meisten Menschen: Böses muss gerächt werden! Aber Josef ist anders! Er ist seinen Brüdern haushoch überlegen. lch meine nicht seine Macht als Vizekönig! lch meine seine seelische Größe. Josef ist eine ganz große Persönlichkeit! Er sagt nämlich NEIN! Zu kleinlicher Rache und zur böses Vergeltung! Josef kann, was die meisten Leute nicht können: Josef kann vergeben!
Seine seelische und geistliche Größe hat er von Gott. Seine Dankbarkeit hat ihn so groß gemacht! Josef hat nichts vergessen: weder das Böse noch das Gute! lhm ist schlimmes angetan worden und er hat im tiefsten Dreck gelegen. Doch Gott hat ihm zu höchster menschlicher Würde erhoben. Er ist Vizekönig von Ägypten, ein mächtiger Mann, doch immer noch steht er unter seinem Gott! Gott hat das Böse zum Guten gewendet, weil er viele Völker am Leben erhalten will!
Wir leben in einem Land, in dem Frieden herrscht und wir können dankbar sein, wie sehr doch das Böse des Zeiten Weltkrieges zum Guten gewandelt worden ist. Aus dieser Dankbarkeit heraus sollten wir alles tun, was dem Frieden dient. Die Josefsgeschichte zeigt es ganz klar: Der Friede beginnt im persönlichen Bereich: in den Familien, bei den Nachbarn, bei den Arbeitskollegen. „Klein, ganz klein, hat das Große begonnen. Klein, ganz klein, fängt alles an!", so heißt es in einem Lied und es stimmt.
Seien wir also dankbar. Denn wer dankbar ist, der braucht nicht neidisch zu sein. Wer dankbar ist, kennt keinen Hass! Wer dankbar ist, hat nachgedacht und weiß, wie sehr Gott das Gute für seine Menschenkinder will.
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Sprichwörter
Martina Raschdorf-Jahn - 23.06.2025
Welchen Sinn haben Sprichwörter und was geschieht, wenn Menschen Sprichwörter „ernst nehmen“? Vielleicht haben sie bereits einmal darüber nachgedacht? Ich habe das bis vor ein paar Tagen noch nicht getan. Dies geschah erst als mir eine Freundin von der „Grasbeißerbande“ erzählt hat. Sie ist durch Zufall in die Ausstellung eben dieser „Grasbeißerbande“ geraten und war sehr bewegt, bei dem, was sie dort erfahren hat. In jedem Jahr sterben ca. 5.000 Kinder noch vor ihrem 15. Lebensjahr an einer lebensverkürzenden Erkrankung.
Eines dieser Kinder war Max. Er war an Leukämie erkrankt und hat auf die Aufforderung, er solle sich seine Zähne putzen, folgendes geantwortet: „Warum soll ich mir die Zähne putzen, wenn ich sowieso ins Gras beiße?
Da ist es, ein Sprichwort. Für uns nur ein Sprichwort. Vielleicht mal so daher gesagt und vielleicht auch nicht weiter über seine Bedeutung nachgedacht. Doch für Max hatte dieses eventuell so daher gesagte Sprichwort eine große Bedeutung. Er hatte seinen Tod vor Augen und hat dieses Sprichwort auf seine aktuelle Lebenssituation übertragen.
Für die Erwachsenen, die Max begleitet haben, sicherlich eine Aussage, die sie so nicht erwartet haben und deren Umgang damit, ihnen nicht leichtgefallen sein dürfte.
Die Autoren, Karsten und Susan Starnberger haben zwei Jahre lang zahlreiche Kinderhospize besucht und Fragen und Gedanken zusammengetragen, die sich lebensverkürzend erkrankte Kinder in ihrem eigenen Sterben stellen.
Max war eines dieser Kinder. Und die Aussage von Max hat dazu geführt, dass sie ihr Buch mit all den Gedanken und Fragen dieser Kinder die „Grasbeißerbande“ genannt haben.
Immer wieder sind sie konfrontiert worden mit Aussagen von Kindern, die sich in ihrer jeweiligen Lebenssituation an einem Sprichwort orientiert haben.
So zum Beispiel Finn, 8 Jahre alt. „Oma sagt, das letzte Hemd hat keine Taschen. Wenn das stimmt, wo stecke ich dann den Zettel mit meinen Geheimnissen hin, die ich mit ins Grab nehme? Wir kennen das alle. Es gibt viele Situationen in unserem Leben, die wir mit einem Sprichwort versehen. Hier stellt sich die Frage, ob wir uns auch jedes Mal der Bedeutung dieses jeweiligen Sprichwortes bewusst sind?
Doch kommen wir zurück zu der Eingangsfrage: Warum gibt es Sprichwörter? Sprichwörter dienen als kurzgefasste Lebensweisheiten, die Erfahrungen und Ratschläge von Generation zu Generation weitergeben.Sie helfen, Situationen zu verstehen, Entscheidungen zu treffen und das Leben zu meistern.
Oder auch: Sprichwörter können trösten, das Handeln erklären oder motivieren und somit die Lebensqualität verbessern. Möge dies so sein. Amen
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Maria
Heiko Frubrich, Prädikant - 14.06.2025
Wer war Maria? Wer ist Maria? Was charakterisiert sie? Was bedeutet sie für unseren Glauben? Keine leichten Fragen, schon gar nicht, wenn man sie in einer evangelischen Kirche stellt. Auch die Musik, die Kantor Robin Hlinka für heute zusammengestellt hat, hilft nur begrenzt weiter. Wie hat der Lobgesang der Maria, ihr Magnificat, geklungen, mit dem sie ihrer Cousine Elisabeth berichtet hat, was ihr passiert war? War es so wie bei Matthias Weckmann – triumphal, hell und voller Begeisterung aber auch leise und dankbar demütig? Oder doch eher so, wie wir es später bei Johann Sebastian Bach hören werden: klar strukturiert und strahlend konstruiert in der abschließenden Fuge?
So vielfältig die Interpretationen über das, was Maria selbst gesagt hat, so sind es auch die Klangfarben der an Maria gerichteten Gebete. Da hören wir Latry mit leisen, sphärischen Bitten, die sich dramatisch steigern, als es um uns als die aus dem Paradies Verbannten geht. Und wir hören einen sich vorsichtig vorantastenden Reger, dessen „Ave Maria“ sich im pianississimo im Nichts zu verlieren scheint.
Wer also war sie, diese sehr junge jüdische Frau, die vielleicht sogar noch eher ein Mädchen war, als ihr der Engel Gottes Pläne mitgeteilt hat. Sie war keine Prinzessin, keine von den oberen Zehntausend, keine, die bekannt, berühmt und bedeutend war. Sie was die Verlobte eines Tischlers und führte wahrscheinlich ein gottesfürchtiges einfaches Leben.
Und dann wird sie zur Gottesmutter, im wahrsten Sinne des Wortes „aus heiterem Himmel“, und alles, aber auch wirklich alles ist von jetzt auf gleich anders. Da werden sich weltliche Überforderung mit frommer Dankbarkeit und Begeisterung abgewechselt haben, ein Wechselbad aus verstehen wollen und nicht glauben können, eine Welle von Fragen, gefolgt von einer Flut aus Gottvertrauen.
Und dieses Gottvertrauens bedarf sie reichlich. Unehelich schwanger, aber nicht von ihrem Verlobten, die Niederkunft in einem schmuddeligen Stall, Engel, Hirten, Herodes, Bedrohung, Flucht. Und später dann die tiefe Angst einer Mutter um ihren Sohn und die Qual, ihn in den Tod am Kreuz begleiten zu müssen.
All das musste sie aushalten, all das konnte sie aushalten, weil sie Gott an ihrer Seite wusste. Und ganz egal, wie wir persönlich zu Maria stehen und welche Bedeutung sie für unser Glaubensleben hat: Wir können ihr dankbar sein für das Vorbild, das sie uns gegeben hat – fest im Glauben und erfüllt von Bereitschaft, Gottes Ruf zu folgen. Denn Gott hatte etwas vor mit Maria – wie mit Ihnen und Euch und mir im Übrigen auch. Ave Maria! Amen.
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Erinnerung tut gut!
Heiko Frubrich, Prädikant - 13.06.2025
Wir haben Pfingsten im Rücken, das Fest des Heiligen Geistes und den Geburtstag unserer Kirche. Und wir haben gefeiert – ganz besonders fröhlich und ausgelassen am Pfingstmontag. Getroffen haben wir uns dazu in St. Aegidien, der großen katholischen Pfarrkirche an der Stobenstraße. Wir haben erstmals ökumenisch gefeiert, Magni, Aegidien und Dom. Die Kinderchöre unserer Domsingschule sind in vollem Ornat von hier aus losgepilgert, mit Taufschale und Taufkrug in den Händen, denn wir haben uns in diesem fröhlichen Gottesdienst an unsere Taufe erinnert. Sie ist unsere gemeinsame Basis und das Band, das uns über alle Konfessionsgrenzen hinweg miteinander verbindet.
Als es dann losging, war St. Aegidien so voll, dass die Sitzplätze nicht ausreichten und die Orgel Mühe hatte, hörbar zu bleiben, weil wir als Gemeinde so kräftig gesungen haben. Und dann war da dieser besondere Moment der Tauferinnerung. Jede und jeder einzelne, katholisch und evangelisch bunt gemischt, bekam ein Kreuz mit Taufwasser auf die Hand oder die Stirn gezeichnet und dazu ein persönliches Segenswort zugesprochen.
„Ich bin getauft!“ Diesen Satz soll Martin Luther mit Kreide auf einen Tisch geschrieben haben als seine ganz persönliche Tauferinnerung, als Zeichen und Mahnung für sich selbst und gegen seine Angst. Wir glauben, dass uns Gott in unserer Taufe bei unserem Namen gerufen hat, dass wir damit geborgen sind in seiner Liebe und seiner Fürsorge – für immer. In fast jedem Leben gibt es Zeiten, in denen unser Glaube und unsere Beziehung zu Gott etwas in den Hintergrund rutschen. Doch Gottes „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst“ gilt auch dann. „Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht“, so haben wir es gerade aus dem 121. Psalm gehört.
Zu Gott zu gehören, bedeutet nicht, unter einer Glaskuppel zu leben, die alles an Leid und Angst und Ärger dauerhaft von uns abhält. So ist Leben nicht, auch nicht für einen Christenmenschen. Zu Gott zu gehören bedeutet aber sehr wohl, gewiss sein zu dürfen, dass wir durch all das nicht alleine gehen müssen. Diese Gewissheit kann helfen, das Leid zu lindern, die Angst zu vertreiben und den Ärger zu vergessen.
Taufe machts möglich und daher ist es so wohltuend, dass wir uns daran erinnern. Vielleicht schauen Sie bei Betreten unseres Domes demnächst immer mal wieder kurz nach links Richtung Imervard. Denn da steht unser Taufstein. Und lassen Sie sich dabei Luthers Worte durch den Kopf gehen: Ich bin getauft! Amen.
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Nicäa
Heiko Frubrich, Prädikant - 12.06.2025
Vor 1700 Jahren trafen sich in Nicäa, dem heutigen Iznik, etwa 140 km südlich von Istanbul, mehrere hundert Bischöfe und andere Kleriker zu einem Konzil. Eingeladen dazu hatte der römische Kaiser Konstantin, der nach seinem Sieg über den oströmischen Kaiser Licinius nun Herrscher des gesamten römischen Reiches war. Konstantin protegierte den christlichen Glauben und sah sich nun vor die Aufgabe gestellt, einige grundlegende Fragen der christlichen Lehre zu klären. Das sollte durch das Konzil von Nicäa erfolgen.
Auf der Tagesordnung standen unter anderem eine Regelung für ein einheitliches Osterdatum, die Bedeutung von Diakoninnen in den Gemeinden und ganz zentral die christologische Frage nach der Stellung von Jesus Christus zu Gott, dem Vater und dem Heiligen Geist. Man einigte sich schließlich auf das gemeinsame Glaubensbekenntnis von Nicäa, nach dem Christus eines Wesens mit dem Vater ist und es somit in der Dreifaltigkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist keine Hierarchien gibt.
Man einigte sich darauf, wobei es wohl durchaus Druck von kaiserlicher Seite gegeben haben soll. Denn neben dem Wunsch, dogmatische Fragestellungen zu klären, hatte Kaiser Konstantin natürlich auch ein starkes Interesse daran, die Stabilität seines neuen großen Reiches zu sichern. Und dabei wären Streitigkeiten innerhalb des Klerus wenig hilfreich gewesen. Also drängte er wohl so manchen Bischof dazu, die im Konzil formulierten Vereinbarungen zu unterschreiben und damit anzuerkennen.
Achtung Spoiler: Am kommenden Sonntag feiern wir Trinitatis, das Fest der Heiligen Dreifaltigkeit. Auch da wird es also um den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist gehen und darum, dass es trotz seiner Dreigestaltigkeit ein Gott ist. An diesem Trinitatissonntag werden gern in den Predigten mehr oder weniger hinkende Vergleiche herangezogen, um die Dreifaltigkeit unseres Gottes zu erklären. Gern genommen ist das Bild das Wassers, das wir in dreierlei Form kennen: flüssig, fest und gasförmig. Weniger elegant ist hingegen das Schweizer Taschenmesser mit Korkenzieher, Schere und Schraubendreher.
Aber braucht es das wirklich? Was bringt es mir für mein Glaubensleben, wenn ich den Eindruck habe, von Gottes Wesensart einen Hauch mehr verstanden zu haben? Es liegt in unserer Natur, dass wir möglichst alles ergründen und erforschen, unser Wissen mehren und möglichst wenig unbeantwortet lassen wollen. Aber bei Gott stoßen wir eben an unsere Grenzen. Er ist und bleibt unergründlich – ob uns das nun passt oder nicht.
Viel wichtiger ist doch, dass wir uns auf ihn verlassen können, dass er uns liebt wie ein Vater und eine Mutter, dass er uns in Christus vergibt und uns seinen Geist schickt, der uns miteinander zu leben hilft. Wir dürfen auf ihn vertrauen. Und was die Dreifaltigkeit angeht: Es reicht, wenn Gott sie verstanden hat. Amen.
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Y - Ysop
Cornelia Götz, Dompredigerin - 11.06.2025
Y – Ysop
Fremd, bitter, blutig?
Zeichen von Grausamkeit?
Bibelkunde zum Friedensgebet:
Zunächst: Der eigentliche Ysop (Hyssopus officinalis) ist eine blau blühende Pflanze und kommt im Land der Bibel gar nicht vor. Wo also vom Ysop geredet wird, ist wahrscheinlich eine andere Art derselben Pflanzenfamilie gemeint. Sie blüht weiß und kann 50-80 hochwerden. Mit ihrem geraden Stängel und Blättern, die mit einer zarten Wolle bedeckt sind, ist die Pflanze ideal geeignet, um in Flüssigkeit getaucht und als Sprengwedel verwendet zu werden.
Einen seiner bestürzenden Auftritte neben dem vielleicht berühmtesten in der Kreuzigungsszene hat der Ysop in Ex 12,22.
Dort wird mit einem Bündel Ysop das Blut des Passalammes an Türstürzen und Türpfosten der Häuser der Israeliten gestrichen.
Kurz vor dem Auszug in die Freiheit überzog Jahwe die Ägypter wegen der Hartherzigkeit des Pharaos mit zehn schrecklichen Plagen. Die letzte und schlimmste war die Tötung der Erstgeborenen. An den mit Blut markierten Türen zog die Katastrophe vorbei. Was für ein Bild! Schützt Blut davor, ein Opfer zu werden???
Der Ysop kann nichts dafür. Er wurde gebraucht – vor allem im Zusammenhang mit den vielen Reinheitsgeboten des Judentums. So sollte man nach Lev 14 Wasser oder Blut mit Ysopstängeln auf verunreinigte Personen oder Häuser sprengen. Um Unheil abzuwehren fügte man frischem Quellwasser eine spezielle Asche zu, nachdem man eine geschächtete rötliche Kuh, Zedernholz, Karmesin / Purpur und eben auch Ysop verbrannt hatte. Ysop – heilsam, klärend, reinigend.
Und der Ysop am Kreuz?
Jedenfalls war das eine sehr langstielige Pflanze, womöglich gar kein Ysop sondern Kaffernhirse, die eher dem Mais ähnelt und bis zu zwei Metern hoch werden kann.
Trotzdem lesen wir, dass dem sterbenden Jesus am Kreuz in der Passionsgeschichte des Johannes ein Schwamm mit Essig auf einem Ysoprohr gereicht wurde; ganz sicher ein Bezug zum Blut des Passahlamms.
Und ich frage mich: ist er der Erstgeborene, der nicht verschont wird?
Muss hier angesichts dieses ohnmächtigen unschuldig Sterbenden noch einmal an alle Gewalt erinnert werden? Oder reinigt dieser Ysop den Essig und die harten Herzen?
So ist es mit der Bibelkunde – immer wieder finden sich Spuren zu neuer Lesart und neuen Fragen…
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Freuet Euch!
Heiko Frubrich, Prädikant - 07.06.2025
Waren Sie heute schon auf dem Wochenmarkt am Altstadtrathaus? Ich finde, dass die Marktbeschicker gerade um diese Jahreszeit beinahe Eintritt verlangen könnten, einfach nur dafür, dass man zwischen den Ständen hindurchgehen darf. Ich kann mich gar nicht sattsehen an den Farben, die man dort präsentiert bekommt. An den Blumenständen erwartet man das ja vielleicht so, aber selbst beim Gemüse leuchtet es in Rot, Grün, Gelb und Weiß. Und von den Gerüchen mal gar nicht zu reden. Da duftet es nach frisch gebackenem Brot, nach Lauch und Zwiebeln, nach Kuchen, Honig und Kräutern.
„Freuet euch der schönen Erde, denn sie ist wohl wert der Freud. O was hat für Herrlichkeiten unser Gott da ausgestreut!“ Über diesen Choral hat Domorganist Witold Dulski gerade improvisiert. Philipp Spitta hat den Text geschrieben, der uns anfordert, uns zu freuen. Gründe für echte Freude zu finden, ist durchaus schwieriger geworden. Unsere Welt verändert sich gerade in eine Richtung, die, wie ich finde, nicht die beste ist.
Not, Elend, Hunger und Ungerechtigkeit sind in vielen Regionen dieser Welt auf dem Vormarsch und Staatschefs beglückwünschen sich gegenseitig, wenn ihre Länder möglichst viel Geld für Waffen ausgegeben haben. Die Autokraten werden immer lauter, die Spaltung nimmt in vielen Gesellschaften zu – auch in unserer. Vor diesen Hintergründen klingt eine Aufforderung, sich zu freuen, fast wie ein schlechter Witz.
Und doch hat Spitta recht! Denn Gott lässt sich von all unserem menschlichen Fehlverhalten nicht die Stimmung verderben. Vor allen Dingen bleibt er treu und zugewandt und sieht uns freundlich an. Seine Güte und Großzügigkeit sind grenzenlos und ich finde, dass uns insbesondere diese Jahreszeit immer wieder daran erinnert.
Ja, gerade wir Protestanten tun uns mitunter schwer damit, trotz aller Probleme auch mal fröhlich aus der Wäsche zu gucken. Als hätte das bereits Paulus geahnt schreibt er: „Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!“ Seine Adressaten waren die Menschen in der Gemeinde in Philippi, die vor lauter Zank und Streit über das richtige Verständnis der frohen Botschaft gar nicht mehr froh werden konnten. Angesichts unserer aktuellen innerkirchlichen Diskussionen, ahne ich ein bisschen, wie die Stimmung damals gewesen sein könnte.
Und deshalb um so deutlicher: Wir haben trotz allem Grund zur Freude, weil wir einen Gott an unserer Seite haben, der uns über alles liebt. Und wenn wir mal wieder deutliche Zeichen seiner Liebe brauchen: Ein Spaziergang durch den Bürgerpark, die Heide, den Harz oder über den frühlingshaften Braunschweiger Wochenmarkt liefert ganz sicher Inspiration. Freuet euch der schönen Erde! Amen.
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Unsere Zeit in seinen Händen
Heiko Frubrich, Prädikant - 06.06.2025
Heute vor 150 Jahren wurde Thomas Mann geboren. Er war einer der bedeutendsten Erzähler des 20. Jahrhunderts und wurde mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. „Die Buddenbrooks“, „Der Zauberberg“ oder „Tod in Venedig“ sind auch noch heute bedeutende und bekannte Werke dieses großen deutschen Schriftstellers. Heute, wie gesagt, vor 150 Jahren wurde er geboren.
Heute vor 150 Jahren wurden aber auch viele andere Menschen geboren, über die heute niemand mehr spricht. Wahrscheinlich waren es weltweit mehrere Zehntausend neue Erdenbürger, die zusammen mit Thomas Mann das Licht eben dieser Welt erblickten. Vielleicht waren sogar Verwandte von Ihnen darunter, die Urururgroßmutter, ein entfernter Cousin oder dessen erste große Liebe.
Über all diese Menschen, über ihr Leben, Lieben, Lachen und Leiden ist die Zeit hinweggegangen und kaum jemand hat solche Spuren hinterlassen, dass man sie heute noch zu finden könnte. Nicht jeder, der am 6. Juni 1875 geboren wurde, war ein Thomas Mann.
Übrigens wird es den meisten von uns genauso ergehen. 150 Jahre nach unserem Geburtstag wird sich wahrscheinlich niemand mehr daran erinnern, dass es uns gab. Es gibt Menschen, bei denen diese Erkenntnis echte Panik auslöst und ich hoffe, dass Sie nicht dazugehören. Denn es gibt keinen Grund zur Panik, jedenfalls nicht für uns Christenmenschen.
„Meine Zeit steht in deinen Händen“, heißt es im 31. Psalm. Was für eine beruhigende Erkenntnis. Da ist jemand, der sich um mich kümmert. Da ist jemand, der für mich vorausgedacht hat, jemand, von dem die großen Bögen auf meinem Lebensweg vorgezeichnet sind und der es am Ende gutmachen wird mit mir.
Unsere Zeit steht in Gottes Händen. Und sie ist auf dieser Erde nun einmal begrenzt, für einen Thomas Mann aus Lübeck genauso, wie für Lieschen Müller aus Klein Biewende. Aber nochmal: Das ist kein Grund zur Panik.
Vor knapp sechs Wochen haben wir Ostern gefeiert und spätestens, wenn wir uns daran erinnern, sollte sich jegliche Panik in Luft auflösen und von freudiger Neugierde abgelöst werden. Denn wir dürfen ja wissen, dass es weitergehen wird. „Ich lebe, und ihr sollte auch leben“, hat uns Christus versprochen. Und das gilt.
Und vor diesem Hintergrund kann es uns doch herzlich egal sein, ob man sich in 150 Jahren noch an uns erinnert oder nicht. Denn einer erinnert sich immer an uns, unser Gott, aus dessen Liebe wir niemals herausfallen können. Amen.
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Weltumwelttag
Heiko Frubrich, Prädikant - 05.06.2025
Seit über 50 Jahren ist der 5. Juni Weltumwelttag. 150 Staaten beteiligen sich weltweit mit jeweils nationalen Aktionen und Themenschwerpunkten daran. In Deutschland steht der Tag in diesem Jahr unter dem Motto: „Das Wasser wertschützen“.
Wie wichtig, ja, wie lebenswichtig Wasser ist, haben selbst wir hier in Deutschland in den vergangenen Jahren und auch in diesem Frühling eindringlich vor Augen geführt bekommen. Regen hat gefehlt, gerade in der Phase, als die Natur so richtig durchstarten wollte. Im Ergebnis mussten die Landwirte bereits Anfang April mit der künstlichen Bewässerung ihrer Felder beginnen und die Schifffahrt auf dem Rhein musste eingeschränkt werden. Sowas gab es in der Vergangenheit nur in sehr trockenen Sommern. Der Klimawandel ist mittlerweile auch bei uns unübersehbar.
Wasserknappheit führt zu Interessens- und Zielkonflikten. Was ist wichtiger – die samstägliche Autowäsche oder der sattgrüne Rasen im Garten, die Befüllung des privaten Swimmingpools oder die Beregnung von Getreidefeldern? Seit zwei Jahren gibt es in Deutschland eine nationale Wasserstrategie, die derlei Fragen beantwortet und eine sichere Wasserversorgung auch in langen Dürreperioden zum Ziel hat.
Ohne Wasser, kein Leben, oder anders formuliert: Nur da, wo Wasser ist, kann es überhaupt Leben geben. Nicht zuletzt deshalb ist es Forschern so wichtig, auf anderen Planeten nach Wasser zu suchen. Denn wenn es Spuren davon gibt, könnte es auch Leben geben. Aber eben nur dann.
Diesen Zusammenhang – erst Wasser, dann Leben – kennt auch die Bibel. Die allerersten Worte lauten: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.“ Wasser war von allem Anfang an. Aus ihm und mit ihm ist Leben entstanden, auch unseres. Und im letzten Kapitel der Bibel, in der Offenbarung des Johannes sagt Jesus zu uns allen: „Wen dürstet, der komme; wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst.“
Es gilt achtsam damit umzugehen, mit diesem, im wahrsten Sinne des Wortes, „Lebenselixier“. Für das im geistlichen Sinne ist göttlicherseits gesorgt. Das Wasser des Lebens, das Christus uns anbietet, müssen wir nur annehmen. Für jenes, das wir physisch zum Leben brauchen, müssen wir allerdings selbst sorgen, darauf achten, dass jede und jeder freien Zugang dazu hat und das es nicht zum Objekt von Geschäftemacherei wird.
Wie von allem, was wir zum Leben brauchen, gibt es auch vom Wasser genug. Wir müssen es nur fair-teilen. Amen.
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Prora
Cornelia Götz, Dompredigerin - 04.06.2025
Im Sommer 1985 lernte ich auf einer Schülerfreizeit an der Ostsee drei Martins kennen. Mit allen dreien schrieb ich Briefe. Einer verschwand vom Radar, einen habe ich geheiratet - dem Dritten begegnete ich beim Studium wieder.
Dazwischen lagen Jahre, in denen ich eine Ausbildung gemacht und weiter viele Briefe geschrieben habe - etliche fanden sich später in der Stasiakte meines Vaters wieder. Warum?
Um zu dokumentieren, dass seine Tochter im regen Briefwechsel mit einem Bausoldaten stand?
Der war stationiert in Prora auf Rügen - von Karl-Marx-Stadt aus eine Weltreise weit weg. Ich weiß nicht mehr, was er eigentlich schrieb - er wollte, dass es vorbei ist, zählte Tage und war immer voller Hoffnung auf einen kleinen Urlaub, der nicht viel mehr bedeutete als nach stundenlanger Reise ganz kurz zu Hause reinschauen zu dürfen.
Ich erzählte von meinem Internatszimmer zu acht, von der Härte der Ausbildungsschwestern im Krankenhaus, von der Studentengemeinde und dass ich vielleicht auch noch Theologie studieren würde.
Dann traf ich ihn wieder.
Der sanftmütige langhaarige Pfarrerssohn hatte sich verändert.
Damals konnte ich nicht erkennen, was es war - jetzt weiß ich, man hatte ihn gebrochen. Er hatte durchgehalten. Und es doch nicht geschafft.
Bausoldaten waren die, die den Dienst mit der Waffe verweigerten. Sie wurden dennoch eingezogen, grundausgebildet, über Eskaladierwäne gejagt, gedrillt und schikaniert - sie waren schließlich anerkannte Systemfeinde.
Heute vor einer Woche war ich in Prora.
Dort gibt es ein Dokumentationszentrum. Block an Block reiht sich den breiten Sandstrand entlang. Nazibauten. Kraft durch Freude. Den Hafen Mukran kann man nur ahnen. Die meisten Blöcke sind saniert und chicgemacht.
Nur zwei sind geblieben wie sie waren.
Dort also bin ich hingelaufen, es war nasskalt und trüb - die sechsstöckigen Gebäude grau und baufällig, manche Fenster eingeschlagen, manche vergittert. Drinnen war es eiskalt. Steinstufen, graues und braunes Linoleum, Ölsockel an den Wänden - schmutziges rotbraun oder graugrün. Stuben für sechs. Waschräume für Dutzende. Kaltes Wasser aus dem Hahn, keine Dusche, warme schon gar nicht.
Mir zog die Kälte in die Knochen und in die Seele.
Ich konnte es kaum aushalten.
Da war er also. Zwei trübe nasskalte Winter und einen Sommer lang.
Und Tausende andere auch. Sie haben sich der Militarisierung verweigert und einen unglaublich hohen Preis gezahlt. Sie sind fast vergessen.
Sie haben versucht die Hoffnung vorzubereiten, von der der Prophet Micha schreibt: Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Lanzen zu Winzermessern machen. Sie erheben nicht mehr das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg. Und ein jeder sitzt unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum und niemand schreckt ihn auf. Ja, der Mund des HERRN der Heerscharen hat gesprochen.“
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