Das Wort zum Alltag

Seit dem 1. Dezember 1968 gibt es von Montag bis Freitag um 17.00 Uhr und Samstag um 12.00 Uhr eine kurze Andacht mit Gebet, die von Orgelmusik gerahmt wird.
Wir möchten Menschen damit ermöglichen für ihre eigene Praxis pietatis eine regelmäßige Form zu finden. Zugleich birgt das Format die Möglichkeit auf die jeweils aktuellen Ereignisse in unserer Stadt und unserer Welt zu reagieren.

Während des Advents und der Friedensdekade hat das Wort zum Alltag einen besonderen Akzent. Das Wort zum Alltag wird in der Regel von der Dompredigerin, sowie von anderen Braunschweiger Pfarrerinnen und Pfarrern und Prädikanten gehalten. Die umrahmende Orgelmusik übernehmen die Kantoren des Braunschweiger Doms.

  14 000 fach

14 000 fach

Cornelia Götz, Dompredigerin - 30.09.2025

Gestern am späteren Abend habe ich einen Beifang gemacht.
Eigentlich habe ich über der Politischen Abendandacht nachher gebrütet und Texte gesucht, die sich mit der Brotbitte des Vaterunsers auseinandersetzen und dazu eine Predigt von Dorothee Sölle gefunden. Sie nannte das Brot des Lebens auch das „Brot der Ermutigung“, von dem wir eben auch tagtäglich eine kleine Hoffnungsdosis brauchen. Am Ende der Predigt erzählt sie vom Kirchentag 1993 in München. Damlas beendete sie ihren Beitrag mit folgendem Gedicht:
„eine asylantin
hier ist sie nicht geboren
unsere sprache versteht sie nicht
gearbeitet hat sie ohne papiere
gewohnt hat sie wechselnd
bei einer freundin
in einem container
sie würde gern anfangen
zu arbeiten
hier bei uns
ihr name ist hoffnung
hier kennt sie niemand“
Sie muss mürbe gelingen haben. Denn später, so erzählte sie, bekam sie im Nachgang dieser Kirchentagsveranstaltung einen Brief bekam. Ein Mann schrieb, dass er ihre Mutlosigkeit nicht verstehen könne, die Hoffnung sei doch während ihres Vortrags 14 000fach in der Olympiahalle vor Ort gewesen. Damals hatte sie das offenbar nicht mitnehmen können.
Aber der Brief wurde ihr zum Hoffnungsbrot.
Das ist eine schöne und tröstliche Geschichte, die gut zu dieser Woche passt, über der es aus dem 1. Petrusbrief heißt:
„All eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für Euch.“
Das ist immer wieder eine Demutsübung.
Und immer wieder auch eine Anfechtung.
Aber tatsächlich: Es birgt vor allem auch eine große Wahrheit.
Die Hoffnung mag es schwer haben – aber sie ist zäh und hält duch bis zuletzt.

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  Michaelistag

Michaelistag

Helge Böttcher, Mitglied des Domkirchenvorstands - 29.09.2025

Am 29. September feiern wir Michaelis – den Tag des Erzengels Michael. Schon im Jahr 493 legte Papst Gelasius I. dieses Datum als Festtag fest, verbunden mit der Weihe einer Michaelskirche in Rom. Seither erinnert der Tag an Michael, den „Engelsfürsten“, der in der Bibel als Kämpfer gegen das Böse auftritt: Er stürzt den Drachen, das Bild für alles, was Menschen und Welt zerstören will.
Michael bedeutet auf Hebräisch: „Wer ist wie Gott?“ – eine Frage, die uns daran erinnert, dass wir Menschen nicht Gott sind und uns auch nicht selbst zu Göttern machen sollen. Es ist eine Warnung vor Selbstüberschätzung und Machtmissbrauch. Schon im Mittelalter galt Michael als Schutzpatron des Reiches, viele Kirchen tragen bis heute seinen Namen. In der Volksfrömmigkeit wurde er gesehen als der, der die Taten der Menschen wägt und den Weg ins Leben bei Gott öffnet.
Michaelistag ist zugleich der Übergang in die dunklere Jahreszeit. Früher wurden an diesem Tag Pacht und Zinsen gezahlt, Ernte eingefahren und neue Arbeitsverhältnisse begonnen. Menschen wussten: Nun wird es ernst – wir brauchen Kraft für Herbst und Winter. Darum suchten sie Schutz bei Gott und seinen Engeln.
Heute leben wir in einer anderen Zeit – und doch bleibt die Frage aktuell: Wo bedroht uns das Böse? Vielleicht nicht mehr als Drache mit Feuer und Schweif, wohl aber in Gestalt von Gewalt, Krieg, Hassreden, Ausgrenzung oder der Gier nach immer mehr. Es ist gut, uns an Michaelis daran zu erinnern: Gott stellt uns nicht schutzlos hinein in diese Welt. Er sendet seine Engel – und manchmal sind es Menschen, die uns zur Seite treten, die uns Mut machen, die für das Gute kämpfen.
Gerade in diesen politisch unruhigen Tagen, in denen wir in Europa wieder mit Krieg und Gewalt konfrontiert sind und in unserer Gesellschaft oft Hass und Spaltung spüren, braucht es Menschen mit Haltung, die dem Drachen ins Gesicht schauen – und nicht wegsehen. Der Michaelistag ist eine Einladung, uns an die Seite derer zu stellen, die Frieden suchen, und uns selbst von Gott Kraft schenken zu lassen für den Weg in eine ungewisse Zukunft.
„Wer ist wie Gott?“ – Diese Frage möge uns leiten: nicht Macht, nicht Gewalt, nicht Hass ist der Maßstab, sondern Gottes Liebe, die stärker ist als alles Böse.

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  Zehn Prozent

Zehn Prozent

Cornelia Götz, Dompredigerin - 26.09.2025

„Einer aber unter den zehn aussätzigen Männern, als er sah, dass er gesund geworden war, kehrte er um und pries Gott mit lauter Stimme.“
So erzählt es Lukas und steht es über diesem Tag.
Der Vers stammt aus einer Heilungsgeschichte. Es wird erzählt, dass Jesus durch ein Dorf kam und dort von Ferne von zehn Menschen beobachtet wurde, die eine schreckliche und ansteckende Krankheit hatten. Noch heute erkranken in jedem Jahr über 200 000 Menschen an dieser schweren bakteriellen Infektion, Lepra, Aussatz. Inzwischen kann man die Krankheit heilen – aber noch immer werden Menschen, die meistens zu den Ärmsten der Armen gehören und davon betroffen sind, gemieden.
In der alten Geschichte tun die Kranken das, was ihnen noch zu tun bleibt.
Sie schreien und rufen und erleben: sie werden gehört.
Schon das kann ein Wunder sein.
Jesus tut wenig. Er kommt nicht näher. Er berührt sie nicht. Er fordert sie nur auf, ihre Isolation zu überwinden und sich ihren Priestern zu zeigen. Offenbar weiß er: sie werden in der Ausgrenzung nicht heil sondern nur auf dem Weg, zu dem sie sich nun anschicken. Ihre Haut wird wieder rein und ihre Gliedmaßen gesund.
Das ist merkwürdig genug – aber der Erzähler, Lukas, will auf etwas anderes hinaus. Von diesen Zehnen dreht einer um und läuft voller Dankbarkeit zu Jesus zurück.
Nur einer.
Wo sind die anderen, fragt Jesus.
Nur einer – es klingt nach bestürzender Undankbarkeit.
Nur einer. Einer von zehn. Und ich kann nicht umhin zu denken: zehn Prozent werden gewahr, dass sie Grund zur Dankbarkeit haben. Zehn Prozent weinen und rufen und klagen nicht nur, sondern loben und danken auch.
Zehn Prozent ist womöglich ungeheuer viel.
Oder präziser: wenn wir uns bewusst machten, wie oft uns Gutes widerfährt, wir behütet und bewahrt geblieben sind, eine friedliche Nacht und ein Abendbrot hatten – unser Leben wäre ein einziges Dankgebet, selbst wenn es uns nur jedes zehnte Mal in den Sinn käme.

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  Als die Glocken schwiegen

Als die Glocken schwiegen

Marc Bühner, Prädikant - 24.09.2025

Mittwoch - Abendsegen mit Versöhnungsgebet von Coventry - eine kleine Geschichte mit dem Titel "Als die Glocken schwiegen" von Elke Bräunling zum Thema "Frieden", zum Nachdenken:

Die Glocken läuteten.
„Schön“, sagte Oma. „Es tut gut, hier zu sitzen und dem Klang der Glocken von St. Ludwig zu lauschen. Ich liebe sie, diese Glocken!“
Bei ihrem Spaziergang hatten Oma, Jule und Jan auf der Bank bei der großen Linde oberhalb der kleinen Stadt Rast gemacht.
„Na ja“, meinte Jan. „Die Glocken können auch ganz schön nerven. Vor allem am Sonntagmorgen, wenn ich ausschlafen möchte.“
„Ich mag sie“, sagte Jule. „Sie gehören zu uns. Nicht auszudenken, wenn sie schweigen würden.“
Oma nickte. „Ja. Nicht auszudenken wäre das. Und doch waren sie lange still geblieben.“
„Warum das? Einfach so?“
Neugierig starrten die Geschwister ihre Großmutter an. Ein Leben mit schweigenden Glocken konnten sie sich nicht vorstellen.
„Sie waren in den Krieg gezogen“, sagte Oma.
„In den Krieg? Die Glocken?“ Jan lachte und Jule sagte mit einem ungläubigen Grinsen: „So ein Quatsch!“
„Kein Quatsch“, widersprach Oma. „In beiden großen Kriegen hatte man unsere Glocken abgeholt. Sie wurden eingeschmolzen und zu Waffen und Kriegsgerät verarbeitet.“
„Eine Glocke kann doch keinen Krieg führen.“
Die Geschwister konnten nicht glauben, was Oma da erzählte.
„Viele kleine Glocken ergaben viele kleine und große Granaten und noch mehr Patronen für die Gewehre der Soldaten“, sagte Oma. Sie sagte es mit einem tiefen Seufzer.
„Boah!“, machte Jan. „Kirchenglocken und fiese Granaten? Wie passt das zusammen?“
„Gar nicht“, meinte Oma, und Jule sagte: „Krieg ist doof.“ Das sagte sie immer, wenn von Kriegen und Kämpfen und Streitereien die Rede war.
„Wie recht ihr habt.“ Oma legte die Arme um die Schultern ihrer Enkel.
„Aber du warst nicht dabei in diesen Kriegen, oder?“, fragte Jule.
„Für wie alt hältst du mich eigentlich? Oma sah Jule mit einem schiefen Grinsen an. „Meine Großmutter hat den ersten großen Krieg miterlebt. Sie war so alt wie du, Jule. Und meine Mutter war ein Kind im zweiten großen Krieg. Und beide haben oft von ihren Erlebnissen, ihrer Traurigkeit und ihren Ängsten erzählt. Erst einige Zeit nach Ende des zweiten großen Krieges kam ich auf die Welt – und da hatte die große Glocke von St. Ludwig noch immer geschwiegen. Sie kam erst zurück, als ich in eurem Alter war. Und ich sage euch, ihre Rückkehr war ein großes Fest. Alle im Städtchen haben sich gefreut und gesagt: ‘Jetzt, ja, jetzt erst sind sie wirklich vorbei, die schrecklichen Kriege. Nie wieder wollen wir Krieg haben. Dafür werden wir alles tun. In Frieden wollen wir leben! Für immer’!”
Oma lächelte. „Die Glocken“, meinte sie dann „haben den Menschen den Frieden erst so richtig zurück gebracht. … Die neuen Glocken“, fügte sie nach einem kurzen Atemzug hinzu. „Die alten gab es ja nicht mehr. Sie waren genau so tot wie die vielen vielen Millionen Opfer der beiden Kriege.“ Dann schwieg sie.
„Wie schön dass sie jeden Abend läuten“, brach Jule endlich das Schweigen. „Sie erzählen vom Frieden.“
„Und Kriege sind wirklich doof“, ergänzte Jan, der bisher immer „Kriege sind spannend“ gesagt hatte. “Ein Krieg, in dem Kirchenglocken zu Granaten werden, kann keine spannende Sache sein.”
Stimmt! Krieg ist keine spannende Sache und mit Glocken kann keiner einen Krieg gewinnen. Auch nicht mit Panzern.

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  Waaahnsinn!

Waaahnsinn!

Henning Böger, Pfarrer - 24.09.2025

Bereits im Frühjahr ist sie siebzig Jahre alt geworden: die Rocksängerin Nina Hagen. Geboren und aufgewachsen in der ehemaligen DDR hat sie längst Kultstatus in ganz Deutschland. Als Künstlerin ist sie immer etwas schräger und lauter als andere, weniger angepasst, irgendwie besonders.
Vor einigen Jahren erschien von ihr ein schmales Büchlein mit dem Titel „Bekenntnisse“. In ihrer Autobiografie blickt Nina Hagen auf ihr Leben zurück und voraus. Und dann liest man mittendrin ganz grundsätzliche Gedanken über die Geburt eines Menschen: „Als Reiter auf den Geburtswehen unserer Mütter werden wir geboren und auf diese Erde geworfen, ohne dass wir uns aussuchen können, wie oder wann oder wo. Waaahnsinn!! Und warum? Weil wir geliebte Kinder eines lebendigen Gottes sind. Ich glaube nicht an den Zufall. Aber ich glaube an Gott, oh ja, hipp, hipp, hurra!“
„Typisch Nina Hagen!“, denke ich und lese weiter: „Das Leben ist nicht banal. Mich, Nina Hagen, gibt es, weil ich von jenseits der Stürme und der Sterne her und von jenseits der Zeit gewollt und gewünscht bin. … Ich kam auf der Erde an mit einem mindestens so präzisen Auftrag wie James Bond, als man ihn nach Moskau schickte, um die Welt zu retten … Wunderbarer Vater, super Abba!“
Ja, ich mag Nina Hagen mit ihrer schrägen Art und dem Mut, laut das zu sagen, was sie denkt und fühlt. Und besonders mag ich diesen kleinen Satz: „Das Leben ist nicht banal.“ Das Leben, das sind nicht nur die Tage und Jahre, die uns unaufhaltsam verstreichen. Unser Leben hat ein Woher und Wohin. „Gott führt mich auf rechter Spur - so liegt es in seinem Namen“, sagt der 23. Psalm. Und weiter: „Du bist bei mir - dein Stab und deine Stütze - sie lassen mich aufatmen.“
Ich höre das so: Wir kommen als Menschen aus Gottes Ewigkeit und dorthin gehen wir. Das zu wissen, gibt unserem Tun und Denken, unserer Freude und auch den schweren Momenten Bedeutung und je eigenes Gewicht. Und am Ende legen wir dieses Leben Gott in die Hände zurück, der behutsam unsere Lebensfäden in ein letztes Ganzes fügt.
Oder im O-Ton von Nina Hagen: „Hipp, hipp, hurra … es kommt noch etwas …
das finale Highlife bei Gott, unsere Fete in der Ewigkeit.“

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  Gedanken des Friedens

Gedanken des Friedens

Heiko Frubrich, Pädikant - 22.09.2025

Jakob, was für ein Typ! Seinem Zwillingsbruder Esau hat er das Erstgeborenenrecht und den Erstgeborenensegen abgegaunert. Natürlich fliegt das auf, und als für Jakob die Luft zu Hause immer dünner wird, sucht er sein Heil in der Flucht. Zu Laban soll es gehen, seinem Onkel, dem Bruder seiner Mutter, die Jakob bei seinen Betrügereien immer kräftig unterstützt hat. Jakob ist also auf dem Weg, und, wer gestern im Gottesdienst war, weiß es schon, er wird müde und schläft ein und träumt einen bemerkenswerten Traum.
Er träumt von einer Leiter. Die steht fest auf der Erde und reicht mit ihrer Spitze bis in den Himmel. Engel steigen auf ihr auf und ab und am oberen Ende der Leiter steht Gott und verheißt Jakob seine Gnade in Form von Land, vielen Nachkommen, Schutz und Segen. Und ich frage mich: Warum ausgerechnet Jakob? Klar, uns allen unterlaufen Fehler, wir verletzen unsere Mitmenschen und bleiben ihnen und auch Gott immer mal wieder etwas schuldig. Aber mit so viel Vorsatz und Heimtücke wie Jakob?
Und mehr noch: Wenn der ja nach diesem Traum wenigstens um Vergebung gebeten und Reue gezeigt hätte. Doch nichts dergleichen passiert. Jakob erkennt zwar, dass der Ort, an dem er geträumt hat, ein heiliger Ort ist und das Gott an diesem Ort war und sich höchstpersönlich an ihn gewandt hatte. Aber ihn dafür dankbar und demütig als seinen Gott anzuerkennen, davon ist Jakob weit entfernt.
Er stellt Bedingungen, und das nicht zu knapp: Erst wenn alle Verheißungen erfüllt sind, also Land und Kleidung und Essen und viele Nachkommen und Frieden in seiner Familie, dann, aber eben wirklich erst dann, will Jakob den Herrn als seinen Gott anerkennen.
Dieser Fortgang der Geschichte sagt eine ganze Menge über Jakob aus. Doch er sagt auch eine ganze Menge über unseren Gott aus. Denn der schickt nicht etwa einen Blitz vom Himmel, um Jakob mal Feuer unterm Hinter zu machen und ihm zu sagen: „Nun ist es aber langsam mal gut!“ Nein, Gott hört sich alles in Ruhe an und bleibt Jakob freundlich zugewandt. Und Gott erfüllt alle seine Verheißungen, die er Jakob gegeben hat und hilft ihm, den Bruderstreit beizulegen und aus Jakob einen halbwegs anständigen Kerl zu machen.
Eine nette Geschichte? Vielleicht, aber auch viel, viel mehr. Denn sie zeigt uns, dass jede uns jeder von uns sich auf Gottes Freundlichkeit und Vergebungsbereitschaft verlassen kann und darauf, dass er uns alle in eine friedliche und friedvolle Zukunft leiten will, so, wie er es bei Jakob getan hat. Einzige Voraussetzung: Wir müssen uns darauf einlassen. Wir müssen Gott vertrauen, und wir dürfen ihm vertrauen.
Ich finde, das sollte hinzukriegen sein – weil es Segen bringt oder wie Gottes selber sagt: „Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Hoffnung und Zukunft. Amen.

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  Wünsche

Wünsche

Marc Bühner, Prädikant - 19.09.2025

„Na, was wünscht du dir?“ Diese Frage haben wir als Kinder gern gehört, ob nun zum Geburtstag oder zu Weihnachten, denn an diesen Tagen gingen unsere Wünsche (zumindest manchmal) in Erfüllung. Als wir dann älter wurden und es uns selber möglich wurde, haben wir uns Wünsche erfüllt und die Frage wurde immer weniger gestellt. Irgendwann wusste man dann auch gar nicht mehr so recht, was man antworten sollte. Was soll man sich noch wünschen? Viele Wünsche wurden im Laufe der Zeit erfüllt, viele Dinge besitzt man schon und bei manchen Wünschen liegt es nicht in der Macht der Fragesteller diese zu erfüllen, denn manches läßt sich mit Geld nicht kaufen. Waren es als Kinder eher materielle Wünsche, so wandelten sich die Wünsche z.B. in Gesundheit, Glück, Zeit mit den Liebsten.
Ja, was soll man sich wünschen? Eine kleine Geschichte ist mir da in die Hände gefallen:
Diese Geschichte erzählt von einem Mann, der Gott ständig mit allen möglichen Bitten in den Ohren lag. Eines Tages sah Gott diesen Mann und sprach zu ihm: „Jetzt´s reicht´s mir. Drei Bitten, und keine einzige mehr. Drei Wünsche werde ich dir erfüllen, und dann ist Schluss. Los, sage mir deine drei Wünsche!“
Der Mann war begeistert und sagte: „Ich darf mir wirklich alles wünschen, was ich will?“
Und Gott erwiderte: „Ja, drei Bitten, und keine einzige mehr.“
Also begann der Mann: „Herr, du weißt, dass es mir peinlich ist, aber ich würde gern meine Frau loswerden, denn sie ist dumm und immer… Herr, du weißt schon. Es ist nicht mehr zu ertragen! Ich kann einfach nicht mehr mit ihr leben. Kannst du mich von ihr befreien?“
„In Ordnung“ sagte Gott, „dein Wunsch ist schon erfüllt.“
Und seine Frau starb. Bald aber befielen den Mann Schuldgefühle, dass es sich so erleichtert fühlte. Dennoch war er glücklich und erleichtert und dachte sich: „Ich werde eine schönere Frau heiraten.“
Als die Eltern und Freunde zum Begräbnis kamen und für die Verstorbene beteten, kam der Mann plötzlich zu sich und rief aus: „Mein Gott, was hatte ich für eine großartige Frau und wusste es nicht zu schätzen, als sie noch lebte.“
Daraufhin ging es ihm sehr schlecht. Wieder suchte er Gott auf und bat Ihn: „Herr, bringe sie wieder zum Leben.“
Gott erwiderte: „In Ordnung, dein zweiter Wunsch sei dir erfüllt.“
So blieb ihm nur noch ein Wunsch. Er dachte sich: „Was soll ich mir wünschen?“, und holte sich bei seinen Freunden Rat.
Die einen meinten: „Wünsch dir Geld. Hast du Geld, kannst du dir alles kaufen, was du willst.“
Andere hingegen meinten: „Was nutzt dir Geld, wenn du nicht gesund bist?“
Wieder andere gaben zu bedenken: „Was nutzt dir alle Gesundheit, wenn du doch eines Tages stirbst. Wünsch dir Unsterblichkeit!“
So wusste der Arme bald noch weniger, was er wollte, denn schließlich sagte ihm jemand: „Was nützt dir Unsterblichkeit, wenn du niemanden hast, den du lieben kannst? Wünsche dir Liebe.“
Der Mann dachte nach und dachte nach … und konnte sich beim besten Willen nicht entscheiden. Er wusste einfach nicht, worum er bitten sollte. Es vergingen fünf Jahre, zehn Jahre, bis ihn eines Tages Gott erinnerte: „Wann sagst du mir deinen dritten Wunsch?“
Der Ärmste sagte: „Herr, ich bin völlig durcheinander. Ich weiß überhaupt nicht, was ich mir wünschen soll! Kannst du mir nicht sagen, was ich mir wünschen soll?“
Da musste Gott lachen und sprach: „Also gut, dann werde ich es dir sagen: Wünsche dir, glücklich zu sein, was dir auch immer geschehen mag. Darin liegt das Geheimnis!“
Ob der Autor dieser kleinen Geschichte mit dem Geheimnis sich Glück zu wünschen Recht hat weiß ich nicht, aber diese Geschichte kann uns zum Nachdenken anregen und daran erinnern: Letztendlich ist es Gott, der Wünsche erfüllt, so betont es die Bibel. An ihn kann man sich wenden mit seinen Bitten und Wünschen: „Suche dein Glück beim Herrn: Er wird dir jeden Wunsch erfüllen.“, so heißt es im Psalm 37.
Also? Was würden Sie sich wünschen?

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  Stürmische Zeiten

Stürmische Zeiten

Marc Bühner, Prädikant - 16.09.2025

Als ich heute Vormittag von der Bank zurück ins Büro ging, erfasste mich eine starke Windböe und ich musste Kraft aufbringen, um nicht hinzufallen. Die Bauabsperrung in meiner Nähe konnte dem Wind nicht trotzen und stürzte um. Ja, man merkt daran, dass langsam der Herbst kommt und damit die Herbststürme, stürmige Zeiten halt.
Aber nicht nur wettertechnisch sind es stürmische Tage und Zeiten, auch sonst so. Wir bekommen durchs Fernsehen und das Internet alle Probleme der Welt bis in unsere Wohnzimmer oder auf unser Handy, in Bilder mit Ton unterlegt. Wir sehen, die vielen Kriege und Konflikte dieser Welt oder die Probleme in unserem eigenen Land und müssen auch da feststellen, es sind stürmische Zeiten.
Und auch in unserem Privatleben gibt es immer wieder stürmische Zeiten. Ausgelöst vielleicht durch eine Krankheit oder eine Beziehungskrise, aus Ängsten oder durch Sorgen um die Zukunft. Ja, dann stehen wir mitten im Sturm und wir müssen schauen, wie wir dem Wind trotzen, so dass wir nicht weg geweht werden. Oft stehen wir dann dem Sturm hilflos gegenüber. Wir verschanzen uns und hoffen, dass der Sturm vorüberzieht und nicht allzu viele Schäden hinterlässt. Aber ist das alles was wir machen können, abwarten und hoffen? Doch was sollen wir sonst tun? Was können wir gegen die Stürme unseres Lebens tun?
Zu allen Zeiten gab es stürmische Zeiten und so erzählt uns auch die Bibel davon:
„Und sie ließen das Volk zurück und nahmen ihn mit ins Boot, so wie er war. Da erhob sich ein großer Sturm, und die Wellen schlugen in das Boot, sodass es sich schon füllte. Er aber lag hinten im Boot und schlief auf einem Kissen. Da weckten sie ihn auf und sprachen zu ihm: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir umkommen? Da wachte er auf, bedrohte den Wind und sprach zum Meer: Schweig und verstumme! Da legte sich der Wind, und es trat völlige Stille ein. Er sprach zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch immer keinen Glauben? Da fürchteten sie sich sehr und sprachen zueinander: Wer ist denn dieser, dass ihm sogar Wind und Meer gehorchen?“
Jesus schläft während es stürmt. Wie kann er das? Was für ein Vertrauen muss man da haben, dass einem schon nichts passiert. Ich denke, er kann das nur, weil er ein ganz tiefes Gottvertrauen hat und sich in Gottes Hand geboren weiß. Haben auch wir solch ein Vertrauen? Können wir solch ein Vertrauen aufbringen? Also ich für meinen Teil muss das bezweifeln. Da fühle ich mich doch eher wie die Jünger, verängstigt und um Hilfe bittend. Denn auch als Christen sitzen wir nun mal nicht in einem schützenden, sicheren Bunker. Wir sind noch nicht dort angekommen, wo es kein Leid und kein Geschrei mehr geben wird und wo Gott selbst alle Tränen abwischen wird. Wir sind noch nicht angekommen, noch sind wir auf der Fahrt und da wird es immer wieder Unwetter-Strecken geben und immer wieder Stürme in unserem Leben. Und wir müssen uns dann selber die Frage stellen, die Jesus seinen Jünger stellt: „Habt ihr kein Vertrauen?“ Dann sollten wir uns an diese Geschichte erinnern und daran, dass diese Geschichte Mut machen kann und uns sagt: „In stürmischen Zeiten erinnere dich, dass es da jemanden gibt, den du um Hilfe bitten kannst. Hab Vertrauen auf Jesus. Er sitzt mit in deinem Lebensboot.“

In Psalm 46 lesen wir: „Gott ist unsre Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt unterginge.“

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  Kennen Sie Meister Eckhardt?

Kennen Sie Meister Eckhardt?

Gabriele Geyer-Knueppel, Pfarrerin - 15.09.2025

Ich meine nicht den Bäckermeister, der dereinst die Bäckerei Eckhardt am Ringerbrunnen belieferte, sondern den großen Theologen und Philosophen des Mittelalters, dessen Biografie sich mit der Predigerkirche in Erfurt verbindet. Er lebte von 1260 bis 1328 und entwickelte Gedanken über Gott und das Dasein, die sich von der katholischen Lehrmeinung seiner Zeit abhoben. Geistliche und Laien konnten sich in diesen Sätzen, die oft die Natur zum Vorbild nahmen, durchaus beheimaten. Doch wurde Meister Eckhardt am Ende der Irrlehre angeklagt und musste sich vor Papst Johannes ,dem XXIII verteidigen. Noch während des Prozesses starb er 1328 in Avignon.
In der Predigerkirche in Erfurt wird ihm ein Gedächtnis bewahrt. Denn die Predigerkirche gehörte zum Dominikanerkloster, in das er mit 15 Jahren eintrat. Bis heute gibt es in der Predigerkirche das alte Chorgestühl in der Apsis, das den Mönchen vorbehalten war. Der Sitz von meister Eckhardt ist bis heute dort zu finden und mit einer Sentenz markiert. Wir verdanken diesem sensiblen Geistlichen Worte wie:
Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart, der wichtigste Mensch immer der, der dir gegenübersteht, das notwendigste Werk ist stets die Liebe.
Nimm dich selber wahr und wo du dich findest, da lass dich.
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich; nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist.
Das sind Worte, die etwas in mir zum Klingen bringen. Die den Horizont öffnen für das, was Gott uns sein will und dafür, wie wir uns als seine Geschöpfe verstehen können. An die Stelle von biblischer Gesetzerfüllung tritt das umfassende Sein in oder mit Gott, das sich an die Gegenwart bindet und an gelebte Liebe. Heute finden wir solche Sätze in der Esoterik, im Mittelalter nannte man es Mystik…
Spüren Sie diesen Sätzen einmal nach. Vielleicht ist ein Wort dabei, mit dem Sie durch diese Woche gehen wollen.

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  Trümmerfenster

Trümmerfenster

Gabriele Geyer-Knueppel, Pfarrerin - 12.09.2025

Ich stamme aus einer Familie, in der Dinge, die kaputt gingen, repariert wurden. Vor allem mein Vater widmete sich hingebungsvoll dieser Tätigkeit. Ob abgesprungene Tüllen von Milchkännchen, Henkel von Bunzlauer Teetassen, die den 100. Spülmaschinengang nicht überlebt hatten oder entleimte Fußbänke – alles erfuhr sein liebevolles Geschick und seine Zeit bei der Wiederherstellung. Bis heute steht ein Porzellansalzstreuer in Schweinegestalt mit Namen „Walter“ in meinem Küchenschrank, der aus unzähligen Bruchstücken wieder in die Nutzbarkeit zurückgeführt wurde…Leimnarben inklusive
Solche Haltung zu materiellen Dingen ist selten geworden. Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft. Reparaturen sind out und das geht zu Lasten unserer Umwelt. Mich hat diese Haltung des „Heilemachens“ geprägt. Dinge nicht verloren zu geben, Dinge auch mit Klebespuren weiter zu nutzen und sich Zeit nehmen, um geliebte Dinge eigenständig zu reparieren - das pflege ich auch in meinem Leben. Allerdings mit einer Weiterentwicklung: Mein „Das kann man noch zum Basteln aufheben“… lernten meine Söhne früh zu sprechen, wenn es ums Ordnungmachen in ihren Zimmern ging.
Ein besonders schönes und berührendes Beispiel der Wiederherstellung eines in abertausende Teile zersprungenen Gegenstandes ist mir in diesem Sommer in der Predigerkirche in Erfurt begegnet. Dort gibt es die sogenannten „Trümmerfenster“, die sich seit 1952 in der Apsis dieser alten gotischen Kirche und im nördlichen Seitenschiff finden. Einen kleinen Ausschnitt davon halten sie jetzt in der Hand. Bunt und vielseitig begegnet uns Glasquadrat um Glasquadrat… Wer genau hinschaut, entdeckt Reste von Blüten und Türmchen und anderen Formen darin. In der gotischen Länge, in der die 3 Fenster wieder eingesetzt wurden, wirken sie wie ein kaleidoskopartiges Gebilde, das je nach Lichteinfall faszinierende Farbschatten wirft oder BetrachterInnen in dieses Farbenspiel regelrecht hineinsaugt. Diese sogenannten Trümmerfenster sind entstanden aus den abertausenden Splittern, in die die schönen mittelalterlichen Glasfenster unter den Bombenangriffen im 2. Weltkrieg zerbarsten und rund um die Kirche herum lagen. Menschen, die die Fenster zu Vorkriegszeiten geliebt und bewundert haben, taten sich zusammen, sammelten die unzähligen Glastrümmer auf und ließen sie von dem Glasmaler und Restaurator Heinz Hajna wieder zusammensetzen. Nun stehen sie den Gottesdienstbesuchern und Touristen wieder zur Verfügung, in veränderter Form und auf neue Art faszinierend schön. Wer Kaputtes repariert, der befördert in gewisser Weise Heilungsprozesse. So verstehe ich die Botschaft der Trümmerfenster der Predigerkirche in Erfurt. Ein Besuch lohnt sich!
Wir alle erleben auch im zwischenmenschlichen Bereich immer wieder, dass Dinge „Kaputt gehen“. Ehen werden geschieden, Familienbande sind nicht zu halten, Vertrauen wurde missbraucht, Mobbing am Arbeitsplatz machte eine Kündigung nötig, Völker führen Krieg gegeneinander und zerstören, Häuser, Seelen und Träume…Kaputtes gehört zum Leben dazu!
Und es gibt einen, der die Haltung des wieder Zusammenfügens und Heilens in seinem Dasein für uns immer bereithält: Das ist Gott. Von ihm sagt der Prophet Jesaja im 42.Kapitel: Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.
Aus dieser Hoffnung können wir Kraft schöpfen, heilen und leben. Amen.

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  Ewiges Leben?

Ewiges Leben?

Heiko Frubrich, Pädikant - 11.09.2025

Vor ein paar Tagen konnte man in Peking ein Treffen von sehr speziellen Menschen beobachten. Die crème de la crème der derzeit herrschenden Autokraten und Diktatoren gab sich auf Einladung von Chinas Staatschef Xi Jinping die Ehre, darunter auch Kim Jong-un und Wladimir Putin. Es war eine Machtpräsentation einer neuen Allianz, die sich gegen die westliche freiheitliche Welt formiert.
Irgendwann einmal war ein Mikrofon nicht ausgeschaltet und man konnte Putin und Xi über nichts Geringeres als das ewige Leben philosophieren hören. Da war von medizinisch begleiteter Verjüngung die Rede, davon, dass man alte gegen neue Organe austauschen könne und so eine Lebenserwartung von 150 Jahren nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft durchaus realistisch wäre.
Xi und Putin for ever, denn nach dem, was die beiden da so von sich gegeben haben, hätten sie ja noch mehr als die Hälfte ihres Lebens vor sich. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mir stellen sich bei dieser Vorstellung schon ein wenig die Nackenhaare auf. Und das nicht nur, weil die beiden nun wirklich nicht zu den Menschen gehören, die ich in besonderer Weise in mein Herz geschlossen hätte. Nein, sondern auch, weil ich mir nicht ausmalen möchte, was so etwas in der Umsetzung bedeuten könnte.
Ältere Organe gegen jüngere austauschen. Wo sollen die aber herkommen? Von Euro-Transplant ganz sicher nicht. In autokratischen und totalitären Systemen würden sich von den Machthabern sicher andere Quellen auftun lassen – zum eigenen Wohle und zu Lasten der so vielen Schwachen und Entrechteten. Das die Würde des Menschen unantastbar ist, die Würde eines jeden Menschen, steht, und darauf können wir stolz sein, in unserer Verfassung. In den Verfassungen vieler anderer Staaten steht das nicht.
Dass es einen Zusammenhang zwischen Wohlstand und Lebenserwartung gibt, ist keine neue Erkenntnis. In Zentralafrika liegt sie unter 60 Jahren, bei uns gut 20 Jahre darüber. Aber wird es bald möglich sein, dass sich die Superreichen auf dieser Welt noch ein paar Lebensjahrzehnte hinzukaufen können?
Im 90. Psalm heißt es: „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf das wir klug werden.“ Ja, es ist gut, dass die Medizin Fortschritte macht und es ist wichtig, dass alle eine faire Chance haben, daran zu partizipieren. Doch schlussendlich steht unsere Zeit in Gottes Händen und wir sollten demütig genug sein, das zu akzeptieren.
Für einen Christenmenschen ist das ohnehin nicht das große Thema. Denn wir dürfen wissen, dass es für uns weitergeht. Und unser Glaube verspricht, dass das Beste noch auf uns wartet. Gott sei Dank! Amen.

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  (Aus) Sicht eines Anderen

(Aus) Sicht eines Anderen

Karl-Peter Schrapel. Pfarrer - 10.09.2025

(Aus) Sicht eines Anderen
So lautet der Titel unserer diesjährigen Aktion vom Arbeitskreis Suizidprävention Braunschweig zum 22. Weltsuizidpräventionstag.
Dazu haben wir ein bewegliches, aber auch zerbrechliches Mobile mit 40 Brillen von unterschiedlicher Art, Stärke und Position geschaffen. Es symbolisiert, dass in Deutschland jährlich rund 10.000 Menschen durch Suizid sterben — etwa 40 davon aus Braunschweig. Jede Brille steht für eine individuelle Lebensperspektive, durch die jeder einzelne Mensch schaut. Die Gründe für einen Suizid sind vielfältig; kein Blick des Anderen lässt sich eins zu eins nachvollziehen. Das setzt uns eine klare aber auch schmerzliche Grenze im Verständnis, die auch in der Rückschau nach einem Suizid unüberwindlich bleibt.
Aber an dieser Grenze des Verstehens müssen wir nicht verständnislos und verzweifelt stehen bleiben. Es lohnt sich, den Blick nicht irritiert abzuwenden oder betreten nach unten zu schauen … in den Abgrund … vielleicht sogar den Eigenen. Verschweigen oder Augen-zu-und-durch hilft und ändert hier gar nichts!
Wir vom Arbeitskreis Suizidprävention Braunschweig sind vielmehr davon überzeugt: Es lohnt sich, miteinander behutsam nach Motiven zu suchen, ohne zu urteilen, und gemeinsam wollen wir daraus lernen, bessere, lebenswertere Rahmenbedingungen zu schaffen, um Suizide zu verhindern. Und vielleicht tun wir das ja auch im Sinne derer, die auf diese Weise von uns gegangen sind. Kein einzelner Suizid lässt sich rückgängig machen, aber Verständnis, Gespräch und Unterstützung können helfen, Leid zu lindern und Hilfe zugänglich zu machen.
Dazu wollen wir als Mitglieder im Arbeitskreis Suizidprävention mit unseren unterschiedlichen Hilfs- und Begleitungsangeboten für Menschen in herausfordernden Krisensituationen unseren Beitrag leisten.
Doch eines ist auch uns dabei völlig klar: Die Verantwortung für ein lebenswerteres Leben können wir nicht alleine tragen! Es braucht dazu all die Menschen mit einem offenen Blick für ihre Mitmenschen. Die, die nicht nur die Not des Gegenübers erahnen, sondern die auch den Mut aufbringen, den Nachbarn, die Freundin oder den Arbeitskollegen anzusprechen und sie zu ermutigen sich Hilfe zu suchen.
Da sind wir also alle gefragt!
Ermutigung dazu entdecke ich im 36. Psalm der Bibel:„Denn bei Dir, Gott, ist die Quelle des Lebensund in deinem Lichte sehen wir das Licht.“
Dieser Satz ist mehr als nur Trost; er ist eine Einladung, gemeinsam das Licht zu suchen, das durch die Dunkelheit hindurchstrahlt. Wir sind darauf angewiesen, als Suchende, Umherirrende und können es doch gleichzeitig auch füreinander sein: Lichtbringer und Orientierungsvermittler.
Eine gute Brille verschafft einen besseren Durchblick. Eine Sonnenbrille schützt das Augenlicht. So sorgt dieses nützliche Hilfsmittel dafür - überall dort, wo innere oder äußere Umstände den Blick eintrüben - uns einen freien und klaren Blick auf das Leben zu bewahren. Orientierung und hoffnungsvolle Aussicht, die uns mit der Quelle des Lebens in Verbindung hält.
Darum lasst uns so wie eine Brille offen bleiben füreinander: offen sehen, offen hören, offen helfen! Wir stehen zusammen, damit niemand in Not allein bleibt. Und in Trauer und Verzweiflung erinnern wir uns gegenseitig daran, dass Licht auch durch Dunkelheit strahlt, und dass wir füreinander da sein können — heute und an jedem Tag. Amen – das ist gewiss!

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  Glauben ist ein Geschenk

Glauben ist ein Geschenk

Jakob Timmermann, Pfarrer - 08.09.2025

Glauben ist ein Geschenk. Man muss es nur annehmen. Das klingt wie ein Kalenderspruch. Eine hohle Phrase. So dachte ich. Bis ich einmal auf ein Bild von Quint Buchholz gestoßen bin.
Darauf zu sehen ist ein einzelnes Haus an einem großen See, vielleicht ein Fjord. Es ist eine friedliche Abendstimmung. Es grasen ein paar Kühe auf der Wiese daneben. Und völlig unvermittelt steht da ein riesiges Geschenk neben dem Haus. Es ist größer als das Haus selbst und wird von der untergehenden Sonne beschienen.
Glauben ist ein Geschenk? Ja, aber vielleicht eins, das ein bisschen zu groß geraten ist. Und außerdem so gut verpackt ist, dass man es nicht öffnen kann. Vielleicht ist es uns im Kindergarten geschenkt worden, als wir zum ersten Mal ein Tischgebet gesprochen haben. Vielleicht ist es uns von unseren Eltern geschenkt worden, als wir Weihnachten in die Kirche gegangen sind. Vielleicht haben wir es zur Taufe geschenkt bekommen. Und vielleicht stand es auch schon immer in unserem Garten, ohne dass jemand weiß, wie es da hingekommen ist.
Und nun müssen wir uns dazu verhalten. Mit diesem etwas zu großen und ungeöffneten Geschenk umgehen. Dabei erlebt man verschiedene Phasen. Manchmal ist es so normal wie Zähneputzen, manchmal ist es so außergewöhnlich wie ein 50. Geburtstag. Manchmal nervt dieses Geschenk wie ein Stein im Schuh und manchmal ist einem genau dieser Stein der Fels in der Brandung.
Und vielleicht ist Glaube nichts anderes als die Neugier darauf, was denn wohl letztlich in diesem Geschenk drin ist. Manchmal habe ich dazu ganz tolle Ideen und manchmal bin ich blank. Aber meine Hoffnung ist, dass am Ende – also ganz am Ende – nicht irgendetwas drin sein wird, sondern genau das Richtige. Und für dieses Richtige reicht meine Fantasie nicht aus. Ich kann es mit Worten nicht beschreiben. Ich kann nur ein Gefühl dazu haben. Die Vorfreude irgendwann, alles verstehen zu können: das Gute und das Böse, das Leichte und das Schwere, das Hässliche und das Schöne. Und der Glaube daran, dass alles wahr werden wird, was gut für mich ist.
Christus spricht: Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt. (Joh 15, 16a). Was für ein Geschenk!

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  Krumme Linien

Krumme Linien

Heiko Frubrich, Prädikant - 05.09.2025

Der französische Schriftsteller Paul Claudel hat einmal gesagt: „Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade.“ Und ich erlaube mir dazu den Kommentar: Was für eine weise Erkenntnis! Sie widerspricht unserem allzu menschlichen: „Das kann ja gar nicht klappen.“ Dabei ist oft genug das einzige, das nicht klappt, unser Gottvertrauen. Immer wieder begehen wir den Fehler, Gottes Handeln und Vermögen mit unseren beschränkten menschlichen Maßstäben zu beurteilen und fallen dabei auf die Nase.
Tröstlich ist vielleicht, dass wir Otto-Normalverbrauchen-Christenmenschen damit nicht allein, sondern vielmehr in bester Gesellschaft sind. Auch den Granden in der Bibel passiert sowas, und einer von ihnen hat heute seinen Gedenktag: Zacharias, der Vater des Johannes des Täufers und Ehemann von Elisabeth, der Cousine Marias. Er ist Hohepriester am Jerusalemer Tempel. Eines Tages, als er im Allerheiligsten ein Brandopfer darbringt, kommt der Erzengel Gabriel zu ihm und verkündet, dass seine Frau Elisabeth schwanger werden und einen Sohn zur Welt wird, der den Namen Johannes bekommen soll.
Zacharias glaubt dem Engel kein Wort. „Meine Frau ist erstens unfruchtbar und zweitens schon viel zu alt“, sagt er. „Gib mir ein unwiderlegbares Zeichen, sonst glaube ich Dir gar nichts.“ Dieses Misstrauen kommt beim Erzengel nicht besonders gut an und er verdonnert Zacharias zur Stummheit, solange, bis Johannes zur Welt gekommen ist. Und so kommt es dann auch. Erst als Zacharias Monate später den Namen seines neugeborenen Sohnes auf eine kleine Tafel schreibt, kann er wieder sprechen. Und das erste, das er spricht, ist sein berühmter Lobgesang, in dem er Gott für seine Gnade und Treue dankt.
Eine Geschichte mit Happy End. Eine Geschichte aber auch, die uns zeigt, wie eingeengt wir doch mitunter in den Grenzen unserer eigenen kleinen Welt unterwegs sind. Zacharias, ein Hohepriester, der jeden Tag im Tempel seinen Dienst tut und von dem die Bibel sagt, dass er gerecht und fromm vor Gott war und in allen Geboten und Satzungen des Herrn untadelig lebte, erschrickt und misstraut, als Gott durch einen Engel sichtbar und erlebbar die Stimme erhebt. Unglaublich, oder?
Wobei – wie sieht es denn mit uns selbst aus? Ich persönlich bin mir ziemlich sicher, dass es in der Rückschau auf mein Leben so einige Momente gab, in denen Gott still und leise die Weichen gestellt hat. Gemerkt habe ich das immer erst im Nachhinein und wäre in der konkreten Situation auch nie auf Idee gekommen, dass da gerade in meinem Leben etwas außerhalb meiner eigenen Kontrolle passiert. Und ich lerne immer wieder, dass auch bei mir in Sachen Gottvertrauen noch Luft nach oben ist.
Schön, dass uns der Evangelist Lukas die Geschichte des Zacharias übermittelt hat, denn sie zeigt uns erstens, dass wir uns auf Gott verlassen dürfen und sollten und zweitens, dass er uns nicht lange böse sein kann, wenn wir mal wieder meinen, schlauer zu sein als er. Denn selbst, wenn wir nur noch krumme Linien sehen: Gott kann trotzdem gerade darauf schreiben. Amen.

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